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Aus: Ausgabe vom 11.06.2025, Seite 16 / Sport

Kein leichtes Erbe

Von André Dahlmeyer
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Brasiliens neuer Mann: Trainer Carlo Ancelotti

Einen wunderschönen guten Morgen! Was haben Vicente Feola, Aymoré Moreira, Mário Zagallo, Carlos Alberto Parreira und Luiz Felipe Scolari gemein? Richtig, sie wurden als Trainer Brasiliens Weltmeister mit der Seleção. Diesen Auftrag hat nun auch Carlo Ancelotti, der als erster ausländischer Übungsleiter beim Rekordweltmeister angeheuert hat. In Brasilien hieß es immer: Bevor wir einem Nichtbrasilianer unsere schöne Seleção anvertrauen, muss es uns schon richtig schlecht gehen. Tut es heuer. Brasilien wartet seit einem Vierteljahrhundert auf den sechsten WM-Titel, der letzte Copa-América-Gewinn ist auch schon wieder 18 Jahre her. (Der Südamerikatitel von 2019 zählt unter Fußballfans nicht, weil Jair Messias Bolsonaro die Copa verschoben hat.)

Mit den ausländischen Trainern war es so eine Sache. Als 1944 der Brasilianer Flávio Costa anheuerte, hieß sein Assistent zwei Freundschaftsspiele gegen Uruguay (4:0 und 6:1) lang Joreca. Der Mann aus Lissabon war Radiojournalist gewesen, als Amateurboxer hatte er zwei Kämpfe gewonnen. Joreca kehrte nach den Matches gegen die Charrúas zurück zum FC São Paulo, mit dem er insgesamt dreimal das Campeonato Paulista gewann. Dann unterschrieb er bei Lokalrivalen Corinthians, entdeckte Baltazar und starb zwei Monate nach seinem Rauswurf 45jährig an Herzstillstand.

Flávio Costa hingegen wurde zur persona non grata. Er war der Trainer Brasiliens bei der Heim-WM 1950, bei der die Gastgeber das entscheidende Spiel gegen Uruguay durch ein Tor von Alcides Ghiggia mit 1:2 verloren (Maracanaço). Die Medien nannten die Niederlage »die größte Demütigung Brasiliens im 20. Jahrhundert«.

1965 coachte der Argentinier Filpo »El Bandoneón« Núñez die Seleção für ein Spiel (3:0 gegen Uruguay). Er war damals Trainer des »O Verdão« (SE Palmeiras). Anlass war die Eröffnung des drittgrößten Stadions Brasiliens, des Estádio Governador Magalhães Pinto, besser bekannt als Mineirão. Der begeisternde Offensivstil, die schnellen vertikalen Pässe (»pam-pim-pum«) hatten Palmeiras neben dem FC Santos von Pelé zum besten Team Brasiliens gemacht. Das wurde belohnt. Palmeiras durfte geschlossen als offizielle Nationalmannschaft antreten. 1997 ließ Núñez seine Trainerlaufbahn bei den Frauen von Palmeiras ausklingen.

Bereits 1925 betreute der Uruguayo Ramón Platero die Seleção bei der Copa América in Argentinien. Gelistet wird auf den einschlägigen Portalen immer der Brasilianer Joaquim Guimarães. Laut dem brasilianischen Fußballverband (damals CBD) war er der Boss – hatte aber nichts zu melden. Alle Entscheidungen wurden von dem Mann aus Uruguay getroffen, der in seinem Team Weltstars wie Arthur Friedenreich hatte. Da an der Copa nur drei Teams teilnahmen, betreute Platero Brasilien, das Zweiter wurde, nur vier Spiele lang.

Carlo Ancelotti (als Assistent von Arrigo Sacchi wurde er 1994 Vizeweltmeister) debütierte dieser Tage beim 0:0 Brasiliens in Guayaquil gegen Ecuador (WM-Quali). Die diskrete Leistung verursachte Ernüchterung. Die Medien schrieben von »Angsthasenfußball«.

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