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Aus: Ausgabe vom 11.06.2025, Seite 5 / Inland
Bahnverbindung Chemnitz–Leipzig

Kulturhauptstadt ist abgehängt

Marode Bahnverbindung zwischen Chemnitz und Leipzig wird zum Totalausfall
Von Gudrun Giese
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Nach Leipzig oder gar darüber hinaus zu kommen, das ist schwierig: Ein Regionalzug im Hauptbahnhof von Chemnitz

Ein schon wieder authentisches Bild für den Osten der Republik mittlerweile: Chemnitz ist in diesem Jahr zwar eine der beiden Europäischen Kulturhauptstädte, doch die wichtigste Bahnverbindung in die sächsische Stadt fällt immer öfter aus. Die Bahninitiative Chemnitz schlägt nun Alarm.

Es geht um die Regionalexpresslinie RE 6, die Chemnitz und Leipzig verbindet. Beinahe jede Woche fielen Züge zuletzt komplett aus, kämen verspätet oder es fehle an ausreichenden Kapazitäten, kritisierte Sebastian Drechsler, Sprecher der Bahninitiative. Damit entwickle sich die wichtigste Bahnanbindung der Region zunehmend zum Totalausfall. »Wir haben frühzeitig vor dieser Entwicklung gewarnt und ohne Erfolg für zusätzliche, überregionale Anbindungen geworben – bei Aufgabenträgern, Politik und Stadtverwaltung«, so Drechsler in einer Mitteilung vom Montag. Längst hätten die Verbindung ertüchtigt sowie Ausweichmöglichkeiten geschaffen werden müssen, denn die Bahnstrecke nach Leipzig binde den Raum Chemnitz an den dortigen Fernverkehrsknotenpunkt an. Häufige Störungen beim RE 6 bedeuteten, dass Menschen aus der Region nicht mit der Bahn Richtung Leipzig und darüber hinaus reisen könnten. Davon seien viele Pendler betroffen. Potentielle Besucher der Kulturhauptstadt, die sich für eine Anreise mit der Bahn entschieden hätten, würden schlimmstenfalls von ihrem Vorhaben abgehalten.

Aus einer aktuellen Petition der Industrie- und Handelskammer Chemnitz geht hervor, dass sich seit über 25 Jahren Projektgruppen aus Ministerien, Kommunen, Verbänden und der Deutschen Bahn mit der Strecke beschäftigen. Im vergangenen Jahr schienen die Elektrifizierung und der weitestgehende zweigleisige Ausbau der Strecke auf dem Weg der Umsetzung. Aber jetzt steht das Projekt wegen »fehlender Haushaltsmittel« wieder zu Disposition.

Die Bahninitiative, der unter anderem der Fahrgastverband Pro Bahn sowie der Industrieverein Sachsen 1828 angehören, hat einen Forderungskatalog veröffentlicht: Es solle so lange ein Zusatzverkehr im Zwei-Stunden-Takt über Riesa etabliert werden, bis der Regelbetrieb des RE 6 wieder stabil funktioniere und genügend Wagen und Züge bereitstünden. Zu diesem Zweck sollten zusätzliche Züge gemietet werden, um Ausfälle schnell zu kompensieren. Würde zudem die Intercity-Verbindung 17 zwischen Chemnitz und Berlin auf einen Zwei-Stunden-Takt erweitert, wäre das eine Entlastung für die stark strapazierte Strecke nach Leipzig. Gleichzeitig kämen die Menschen aus der Region Chemnitz dann besser nach Berlin.

Ein stabiles Angebot sei dringend nötig für die Fahrgäste, betonte Markus Haubold, Vorsitzender von Pro Bahn Mitteldeutschland. »Gerade besuchen viele Gäste erstmals überhaupt Chemnitz.« Die dürfe man mit dem pannenbehafteten Angebot ebensowenig abschrecken wie Pendler, die »die aktuelle Situation mit Störungen und Ausfällen« kaum noch ertragen könnten. »Weitere Verzögerungen können wir uns beim Ausbau daher nicht leisten«, so Haubold. Außerdem sei der RE 6 ein zen­traler »Standortfaktor für die regionale Wirtschaft«, betonte Katrin Hoffmann, Geschäftsführerin des Industrievereins Sachsen 1828. »Wer Investitionen in der Region Chemnitz sichern oder neue ansiedeln will, muss verlässliche Infrastruktur garantieren.« Die Bahninitiative appellierte in ihrem Schreiben an die sächsischen Landtagsabgeordneten, die Finanzierung des Projektes sicherzustellen.

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