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Aus: Ausgabe vom 06.06.2025, Seite 7 / Ausland
UN-Resolution zu Gaza

Israel tötet, USA decken

Washington blockiert UN-Resolution zu Waffenruhe in Gaza. CNN-Recherche widerspricht Tel Avivs Version zu Massakern in Rafah
Von David Siegmund-Schultze
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Eine jüngste US-amerikanisch-israelische Koproduktion: Hungernden Menschen zuwenig Essen geben und sie dabei töten

Es war zu erwarten: Am Mittwoch haben die USA erneut ihr Veto im UN-Sicherheitsrat gegen eine Resolution eingelegt, die eine sofortige und permanente Waffenruhe in Gaza forderte. Die 14 weiteren Staaten des höchsten UN-Gremiums stimmten für die Resolution, die auch die Freilassung der israelischen Geiseln und die ungehinderte Lieferung humanitärer Hilfen in den Küstenstreifen verlangte. Israel kann sich somit weiter nicht nur auf die Versorgung mit den nötigen Waffen durch ihren Partner in Washington, sondern auch auf dessen diplomatische Rückendeckung für seinen genozidalen Gazakrieg verlassen.

Die von den USA und Israel eingesetzte Gaza Humanitarian Foundation (GHF) hat derweil am Donnerstag die Ausgabe von Lebensmittelpaketen am zweiten Tag in Folge ausgesetzt. Sie müsse nach eigenen Angaben noch »Wartungs- und Reparaturarbeiten« ihrer Verteilzentren in Rafah ausführen. Dort waren seit Sonntag 61 Palästinenser getötet worden. Eine am Donnerstag veröffentlichte Recherche der CNN kommt zu dem Schluss, dass israelische Soldaten augenscheinlich auf die Menschen geschossen hatten. Hierfür wertete der US-Sender Zeugenaussagen und Videomaterial aus und befragte Waffenexperten.

Die israelische Armee hatte die Geschehnisse zunächst geleugnet. Dann veröffentlichte sie ein Video, das bewaffnete Palästinenser zeigt, die auf Menschen an einer Ausgabestelle für Hilfslieferungen schießen, mit dem Zusatz: »Die Hamas tut alles, was sie kann, um den Erfolg der Lebensmittelverteilung in Gaza zu verhindern.« Mehrere palästinensische Journalisten berichteten jedoch unter Berufung auf lokale Quellen, dass die Aufnahme einen Vorfall zeigt, bei dem eine von Israel bewaffnete palästinensische Miliz zuvor gestohlene UN-Hilfslieferungen an hungernde Menschen in Khan Junis verkauft und auf diejenigen geschossen hatte, die ohne zu zahlen mit Mehlsäcken davongelaufen waren. Mit steigendem internationalen und medialen Druck gab die Armee dann zu, Soldaten hätten »Warnschüsse« in Richtung von Personen in der Nähe des GHF-Verteilzentrums abgefeuert, die sich ihnen »verdächtig genähert« hätten.

Das Leugnen, Streuen verwirrender und falscher Informationen und anschließende scheibchenweise Herausrücken von Teilwahrheiten ist ein sich wiederholendes Muster israelischer Propaganda. Ein weiteres Beispiel hierfür ist die Tötung von 15 Rettungskräften bei Rafah am 23. März. Erst nachdem die New York Times ein Video veröffentlicht hatte, das die ursprüngliche Version der Armee widerlegte, sprach diese von »Fehlern« und »Versäumnissen«. Sie behauptete aber weiterhin, die Soldaten hätten nicht »wahllos« oder aus kurzer Distanz auf die unbewaffneten Sanitäter geschossen. Eine Recherche der israelischen Zeitung Haaretz widersprach auch dieser Darstellung.

Asaad Al-Nasasra, einer der beiden überlebenden Sanitäter, hat nun dem Palästinensischen Roten Kreuz (PRCS) seine Erinnerungen an den 23. März und seine anschließende 37tätige Inhaftierung mitgeteilt. Während des minutenlangen Beschusses habe er versucht »sich zu verstecken und zu schützen, so gut er konnte, und sich in den Boden eingegraben. Die Leiche von Mohammed Al-Heila, eines anderen getöteten Entwicklungshelfers, lag über ihm«, so das PRCS. Dann habe er gehört, wie sich Soldaten näherten. Einige seiner Kollegen seien zu dem Zeitpunkt noch am Leben gewesen und hätten um Hilfe geschrien, »und dann hörte er, wie sie jeden erschossen, der noch am Leben war«. Als ein Soldat bemerkt habe, dass Nasasra noch lebte, habe er ihm sein Gewehr an die Stirn gehalten. Auf Hebräisch habe Nasasra um sein Leben gebettelt und ihm gesagt, dass seine Mutter israelische Staatsbürgerin sei. Die Soldaten hätten daraufhin entschieden, ihn zu verschonen. Während seiner Gefangenschaft sei er geschlagen, gedemütigt und gefoltert worden, so das PRCS. Das Militär entließ ihn Ende April in den Gazastreifen. Laut PRCS ist Nasasra schwer traumatisiert und werde von seiner Erinnerung an den »Klang der Schüsse, den Anblick seiner verwundeten Kollegen und ihrer brutalen Ermordung« verfolgt.

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