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Aus: Ausgabe vom 05.06.2025, Seite 10 / Feuilleton
Unterwegs

Lustige Lausitz

Von Maik Rudolph
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Calau it is

Vier Stunden sollte es dauern. Kürzeste Verbindung von Berlin-Ostkreuz in die Metropolis an der Weißen Elster, Gera, via Leipzig, zuvor aber umsteigen in Calau: Geburtsort des Kalauers, Stadt ohne Freude. Stadt, dass ich nicht lache. In einer vernünftig eingerichteten Welt würde ich nicht die Abkürzung über fast schon Polen wählen müssen, um in »Klein Paris« umzusteigen. Die Bahn gewöhnt den Kunden das 58-Euro-Ticket ab.

Da bleibt mir das Lachen schon im Halse stecken: Anschluss nicht erreichbar, der nächste in zwei (!) Stunden. Google-Tip: Wenn ich zurück nach Berlin führe und den ICE nähme, wäre ich schneller. Danke.

Calau it is. Als ich das letzte Mal dort zum längeren Verweilen genötigt wurde, gab es noch ein Dixi-Klo neben dem verbarrikadierten Bahnhofsgebäude. Vieles hat sich verändert. Doch dasselbe Schild strahlt noch immer Gestrandete an: »Warum ist der Calauer Bahnhof zwei Kilometer vom Zentrum entfernt? Weil die Vorfahren ihn dicht bei den Gleisen haben wollten.« Humor ist, wenn jemand anderes lacht. Vom Witzerundweg ist die Rede: in beide Richtungen zweieinhalb Kilometer. Den Zug im Nacken spürend, bin ich aber bloß zwei gelaufen; weder Calau noch Kalauer in Sicht.

Wenn schon keine Sanitäranlagen feilgeboten werden, ab in den Wald. Kurz vorm Betreten des Pfades wird er abgesperrt. Rohrverlegung direkt am Waldesrand. Umherirrend treffe ich andere Gestrandete, beim Zeitvertreib oder auf der verzweifelten Suche nach der Stadt. Schon tut sich ein anderer Pfad auf: Er führt direkt an zwei steinernen Reichsadlern vorbei, Zierrat eines Gartentors, erweiterte Nord-Süd-Achse von Germania. Über die Menschen in Calau sollte ich mir aber kein Urteil erlauben, es gibt sie nicht. Nur einen Hermes-Boten und verzweifelte Zuggäste auf Landgang. Ist das der eigentliche Kalauer? Ein Rundweg, der die Touristenschar vom Hals hält? Bin ich einfach zu blöd für Calau? (Ja!, jW)

Plötzlich: indigenes Leben! Ein ausgedienter Funkstreifenwagentransporter saust vorbei, das silber-blaue Äußere verziert mit nicht weniger geschmacklosen Blumenapplikationen. Ein personalisiertes Nummernschild hinter der Windschutzscheibe grüßt: »Hakuna Matata«. Scooby, Freddy, Daphne, seid ihr’s? Die »Mystery Machine« vom Spreewald.

Kaum drehe ich mich um, geht der Witz auch endlich auf. Überall Scherze um den Bahnhof plakatiert. Zur Auflösung der Kalauer bitte QR-Code scannen. Eine kleine Kostprobe gepfefferten Humors: »Was macht der Clown im Büro? Faxen!« – Hätte ich nur wenigstens den gefrühstückt, aber zum Glück bin ich bald in Leipzig, da hole ich mir eine Roster an Gleis 8.

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