Ein würdiger Campeón
Von André Dahlmeyer
Einen wunderschönen guten Morgen! Sensation im argentinischen Fußball: Der Klub Atlético Platense aus dem Barrio Saavedra am nördlichen Stadtrand von Buenos Aires ist zum ersten Mal in seiner 120jährigen Vereinsgeschichte argentinischer Meister (Torneo Apertura). Er hat gespielt wie Rehhagels Griechenland 2004. Dagegen war kein Kraut gewachsen.
Finalgegner war in Santiago del Estero der CA Huracán. Kein ansehnliches Finale. Da die Spielanlagen der Teams einander ähneln, war es am wahrscheinlichsten, dass sie sich gegenseitig neutralisieren würden. Genauso kam es. Ansonsten wurde unsanft getreten und gefaucht, was Schiri Facundo Tello überwiegend nicht ahndete. Spiele wie diese werden in der Regel durch Details entschieden. In Minute 18 des zweiten Abschnitts war es soweit: Freistoß für Platense, Huracán bekommt den Ball im Strafraum nicht unter Kontrolle, Rechtsfuß Guido Mainero setzt mit links zu einem Volleyknaller in die Fischreusen von Hernán Galíndez (38, Nationaltormann Ecuadors) an. Ein Traumtor, das Meisterschaftstor – das wichtigste Tor in 120 Jahren des Klubs, der 1931 zu den 18 Gründungsmitgliedern des argentinischen Profifußballs zählte. Stellen Sie sich vor, Sie hätten es erzielt. Ein Treffer auch genau zum richtigen Zeitpunkt, denn Huracán hatte leichte Vorteile, Matko Miljevic trieb das Spiel mittlerweile voran.
In der ersten Halbzeit hatte Platense entschlossener gewirkt, indes kam wenig dabei herum. Physisch teilten die Braunen aus, ohne rot zu werden. Hauptsache, das Spielschema des Gegners zerhäckseln. Nicht zu vergessen, hinten die Null. Für den Globo (Heißluftballon) war der Gegentreffer ein Dolchstoß. Tödlich. Montgolfièren-Wetter schreibt sich anders. Das Tor von Mainero entpuppte sich als thermische Böe, es ging sozusagen munter bergab. Wer nicht mehr an sich glaubt, fällt hart. Der Himmel über Santiago del Estero übersät von Haufenwolken. Kaltfront.
Es begab sich, dass Huracán zwar noch uneinsichtig einen Angriff nach dem anderen anzettelte. Doch eben diese Fastattacken ließen die Kämme der Innenverteidiger des Calamar (Tintenfisch) schwellen: Es bereitete ihnen sichtlich Freude, einen Ball nach dem anderen aus der heißen Zone zu wuchten. Diese Derwische stampften sogar freche Schilder in den Rasen: »Tote Zone« und »Gesperrt!« war zu lesen. Zumindest ein weiteres Indiz dafür, dass Tintenfische Humor haben. Der Uru Edgar Elizalde hatte Walter Mazzantti längst eine Fußfessel angedeihen lassen, die hektischen Wechsel von Frank Kudelka bewirkten: nichts. Platense war sogar näher am zweiten Treffer. Die Chose wurde zum großen Triumph des Trainergespanns Favio Orsi/Sergio Gómez, die mal als drittklassige Kicker bei Platense begonnen hatten. Back to the roots, gib deinem Klub, deinem Barrio, was zurück.
Seit der Zeugwart des Calamar nach dem Ableben von Papst Franziskus dessen Konterfei auf das Trikot von Platense gezaubert hat, läuft es rund. Am Geburtstag der Institution gewann der Calamar ausgerechnet gegen Papstklub San Lorenzo de Almagro und zog ein ins Finale. Doch hatte Francisco nicht immer Balance gepredigt? Im Finale wurde also Huracán verspeist, der Erzrivale San Lorenzos, die beide den wichtigsten Barrio-Klassiker weltweit kicken. ¡Felicitaciones, Calamar! Ein würdiger Campeón.
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