Trott, Haberlandt, Niklaus, Zwerenz
Von Jegor Jublimov
Vor rund vier Jahrzehnten verdrehte Jürgen Trott mancher Fernsehzuschauerin (und manchem Zuschauer) den Kopf. Der jungenhafte Typ war alltagstauglich und auch in Ganzkörperaufnahmen – etwa 1983 im Freibad Pankow in der »Polizeiruf«-Folge »Es ist nicht immer Sonnenschein« – nicht zu verachten. Kriminalist Peter Borgelt spielte später seinen Vater im Fernsehtheater Moritzburg. Hauptrollen – wie in der »Staatsanwalt«-Folge »Die Kette« neben Janina Hartwig (1986) – waren eher selten. Gelegentlich steckte er in Uniformen, schon 1979 in seiner ersten TV-Rolle in Prag, später als NVA-Major in »Offiziere« (1986) oder »Hannes« bei der Volksmarine 1988. Als Polizist im Kurzfilm »Spielzeugland« hatte er Anteil am Oscar, der dem Film 2009 verliehen wurde. Regisseur Jochen A. Freydank setzte ihn hier auch als einfühlsamen Coach für Kinder ein. Am Montag ist er 70 geworden.
Weil Filmleute mit Osterfahrung immer stärker in den Hintergrund gedrängt werden, hat Freydank zusammen mit anderen die Initiative »Quote Ost« ins Leben gerufen. Zu den Erstunterzeichnern zählt die Schauspielerin Fritzi Haberlandt, die am Freitag 50 wird. Sie hat an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« studiert, am Theater unter anderem mit Robert Wilson und Armin Petras zusammengearbeitet und ihr Filmdebüt noch 1999 bei Egon Günther erlebt. Die Titelrolle in »Ein spätes Mädchen« (2007) war ein besonderer Erfolg für die oft in spröder Einfachheit agierende Künstlerin, hier unter der Regie von Hendrik Handloegten, der ihr Lebensgefährte wurde. Ihre bislang letzten Kinorollen spielte sie in Andreas Dresens Filmen »Timm Thaler« (2017) und »In Liebe, Eure Hilde« (2024).
Ein Schauspieler, dessen Stimme bekannter ist als sein Gesicht, starb vor vier Jahren und wäre am Sonntag 100 geworden: Der gebürtige Kölner Walter Niklaus, der 1951 in Cottbus debütierte, kam über die Stationen Schwerin und Erfurt nach Leipzig, wo er nicht nur an den Kammerspielen inszenierte, sondern bis 2016 (!) als Hörspielsprecher überzeugte. Auch wenn er in vielen Fernsehfilmen dabei war – besonders markant 1973 bis 1979 in 13 Folgen »Das unsichtbare Visier« als CIA-Agent Wilson – , blieb er doch als Sprecher unverzichtbar. Seine Stimme wirkte bei der Synchronisation (z. B. für Basil Rathbone als Sherlock Holmes) ebenso wie als Erzähler in Hans-Joachim Kasprziks Fernsehverfilmung von »Kleiner Mann – was nun?« (1967) bis hin zu »Sachsens Glanz und Preußens Gloria« (1985–1987).
Am 3. Juni vor 100 Jahren kam in Crimmitschau der Schriftsteller Gerhard Zwerenz zur Welt, der zeitlebens »zwischen den Stühlen« saß. Mit 17 Jahren ging er als Freiwilliger in die Wehrmacht, desertierte zur Roten Armee, wurde in der DDR Genosse und nach einem Studium bei Ernst Bloch aus der SED ausgeschlossen. Nach Verhören floh er 1957 in den Westen, wo als Publizist mit linken Auffassungen Anstoß erregte. Für seinen Freund Rainer Werner Fassbinder (der kürzlich 80 geworden wäre), stand Zwerenz in »Berlin Alexanderplatz« vor der Kamera. Auf der offenen Liste der PDS saß der Autor 1994 bis 1998 im Deutschen Bundestag und analysierte ihn später in einem Buch süffisant als »Windmühle«.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Feuilleton
-
Vorschlag
vom 04.06.2025 -
Die Übermacht der Apparate
vom 04.06.2025 -
Mit doppeltem Boden
vom 04.06.2025 -
Karriere-Gedicht. Von Vincent Sauer
vom 04.06.2025 -
Blind Date
vom 04.06.2025 -
Rotlicht: Transatlantische Partnerschaft
vom 04.06.2025 -
Nachschlag: Höhlenausgänge
vom 04.06.2025 -
Veranstaltungen
vom 04.06.2025