Gegen China einschwören
Von Jörg Kronauer
Er klang schon stark nach »Hunnenrede«, der Agitationsschwall, den US-Kriegsminister Pete Hegseth am Sonnabend auf dem diesjährigen Shangri-La-Dialog in Singapur absonderte. Und nein, »Kriegsminister« ist kein polemischer Ausdruck. Den US-Streitkräften wieder ein »Kriegerethos« einzuimpfen – wieder? –, das ist Hegseths erklärtes Ziel Nummer eins. Das hat er jetzt in Singapur wiederholt. Im Fokus stehen müsse in Zukunft die blanke militärische Leistung: »hartes Training«, das »Kriegführen«, die »Tödlichkeit«. Damit müssten sich die US-Streitkräfte von nun an auf den Kampf gegen das »kommunistische China« konzentrieren, das, zeterte Hegseth, »bösartigen Einfluss« ausübe, übrigens auch »in unserem Hinterhof«, am Panamakanal. Die Schwerpunktverlagerung der US-Krieger nach Asien sei möglich, fuhr er fort, weil die US-Verbündeten in Europa dankenswerterweise ihre Militäretats auf fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung aufstockten. So habe Washington den Rücken frei.
Wer Hegseth auf die Funktion eines »Verteidigungs«-Ministers reduziert, verzwergt den Mann mit dem »Kriegerethos«, der so stolz ist auf sein Tattoo mit der Kreuzritterparole »Deus Vult«. Sein verehrter Chef Donald Trump sei zum Präsidenten gewählt worden, teilte Hegseth in Singapur mit, um »America first auf der Weltbühne« durchzusetzen. Dazu fordere er nun auch von den Staaten Asiens Gefolgschaft, Pardon, Militärkooperation gegen Beijing ein. »In euren Ländern stiehlt China« mit seinen Cyberfähigkeiten wichtige Technologie, insinuierte Hegseth; »in euren eigenen Gewässern sucht es euch einzuschüchtern«. Die Volksrepublik sei bestrebt, »zu viele Teile« Asiens zu »dominieren und zu kontrollieren«; sie rüste ihre Streitkräfte allzu »massiv« auf. Und auch wenn die in Singapur anwesenden Repräsentanten südostasiatischer Staaten – Ausnahme: die Philippinen – dies ausdrücklich zurückwiesen, verkündete Hegseth: »Wir arbeiten mit euch an der Abwehr chinesischer Aggression.«
Der einst renommierte Shangri-La-Dialog ist mit Hegseths – soll man sagen: Rede? – endgültig zur antichinesischen Propagandaveranstaltung verkommen. Organisiert von dem Londoner Thinktank International Institute for Strategic Studies in der einstigen britischen Kolonie Singapur, versammelte sie dieses Jahr mehrere europäische Staaten, deren Marinen in einer Art moderner Kanonenbootpolitik regelmäßig vor Chinas Küsten kreuzen. Von den einstigen europäischen Kolonien der Region verlangte Hegseth, sich dem neuen US-Kreuzzug gegen China anzuschließen. Mit dabei beim Shangri-La-Dialog waren unter anderem die Verteidigungsminister berühmter Pazifikmächte wie Finnland und Litauen, nicht vertreten war der Pazifikanrainer Russland, während China nur einen General entsenden durfte. So wird nicht ernsthaft diskutiert, so wird Stimmung für einen möglichen künftigen Krieg gemacht – zur Wahrung der kolonialen Dominanz des Westens.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (2. Juni 2025 um 12:13 Uhr)Kriegsfanatische Irre, im verordneten NATO-Sprech »Verbündete«, EU-euphemistisch »Freunde« und devot-deutsch »Schutzmacht« genannt, steuern die Welt gezielt in den Abgrund. Und wir deutschen Idioten helfen »kriegstüchtig« kräftig dabei mit; gerade so, als lebten wir auf einem anderen Planeten. Geht’s noch schizophrener?
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