Reiches Deutschland
Von Lucas Zeise
Nur verhaltener Jubel. Am Mittwoch erschien eine Kurzmeldung unter anderem auch in junge Welt. Deutschland habe im vergangenen Jahr Japan als den größten Nettogläubiger unter den Nationen der Welt abgelöst. Wir hatten uns doch schon so an nationale Hiobsbotschaften gewohnt, die uns als Bürger eines ökonomisch immer weiter zurückfallenden Landes charakterisierten. Und jetzt das! Patrick Welter in der FAZ versuchte, die klugen Leser des Blattes – auch mich – darüber aufzuklären, was dieser beachtliche Rekord bedeutet. Schon im vierten Absatz seiner Analyse heißt es: »Volkswirte sehen das große deutsche Auslandsvermögen nicht zwingend als etwas Positives.« Es könne auch mit der Schwäche Deutschlands als Investitionsstandort zu tun haben, zitiert Welter den Präsidenten des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest.
Zunächst die Fakten, wie sie der Internationale Währungsfonds IWF veröffentlicht hat. Das Nettoauslandsvermögen »der Deutschen« (gemeint sind die Bürger des Landes samt seiner privaten und staatlichen Institutionen) beschreibt deren Vermögenswerte, die sie als Direktinvestitionen oder Finanzanlagen im Ausland halten, abzüglich der Vermögenswerte, die von Ausländern im Inland gehalten werden. Dieses Nettoauslandsvermögen hat sich Ende des vergangenen Jahres auf 3,6 Billionen US-Dollar belaufen. Damit liegt Deutschland erstmals knapp vor Japan mit 3,5 Billionen US-Dollar, das die Spitzenposition seit 1991 innehatte. Drittgrößter Nettogläubiger ist die VR China mit 3,3 Billionen US-Dollar, die von Deutschland 2019 überholt wurde. Umgekehrt sind die USA unverändert weltgrößter Schuldner mit Nettoverbindlichkeiten von 26,2 Billionen US-Dollar. Die Nettoschulden der USA sind also mehr als doppelt so groß wie die addierte Nettovermögensposition der drei netto reichsten Länder Deutschland, Japan und China.
Die Ausdrücke Schuldner/Gläubiger sind nur teilweise treffend. Wenn ein deutsches Unternehmen ein anderes im Ausland kauft oder gründet, wird es nicht Gläubiger, sondern Eigentümer. Der deutsche Vermögensüberschuss besteht aber weitgehend aus Krediten. Und so finden sich auch Kritiker am »deutschen Reichtum«. Es werde oft übersehen, dass »wir so schlechte Investoren sind«, meint Moritz Schularick, der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. »Wir sind der größte Gläubiger, aber schlechte Investoren. Das ist teuer.« Schularick hat mit Kollegen eine Studie erstellt, wonach »die Deutschen« in den vergangenen Jahrzehnten mit den Auslandsanlagen nur eine Rendite von kümmerlichen 4,8 Prozent erzielt haben, deutlich weniger als die anderer großer Kapitalnationen.
Man möchte fast ein wenig ärgerlich werden, dass unsere Reichen unser Geld so schlecht anlegen. Aber man sollte sich auch fragen: Wenn es so schlecht angelegt ist, wie kommt es denn, dass unser deutsches Vermögen im Ausland wächst? Und noch schneller als das der Konkurrenz? Die Antwort liegt darin, dass die Kredite ans Ausland der Verkaufsförderung dienen. Die Kundschaft für deutsche Exportwaren wird so zahlungskräftig gehalten. Die sprudelnden Exporteinnahmen dienen dann wieder der Kreditvergabe ans Ausland. Ein bisher glänzend funktionierendes Geschäftsmodell.
Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen
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