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Harmonie kehrt ein

Zu Lust und Risiken des Kapitalverkehrs
Von Lucas Zeise
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Politökonomisch liegt eine harmonische Woche hinter uns: Der US-Amerikaner Robert Prevost wurde im vierten Wahlgang des Konklaves zum neuen Papst gewählt. Schon im zweiten Wahlgang wurde Friedrich Merz im Bundestag zum neuen Bundeskanzler erkoren. Der britische Premier, Sir Keir Starmer, hat es geschafft, den ersten Handelsvertrag mit US-Präsident Trump abzuschließen. Oliver Zipse, der Vorstandsvorsitzende der zum Quandt-Reich gehörenden Münchner Autofirma BMW, hat der Welt mitgeteilt, dass der von Donald Trump befohlene Importzoll auf Autos von 25 Prozent spätestens im Juli ermäßigt werden dürfte.

Während die Bank von England ihren Leitzins um einen viertel Punkt auf 4,25 Prozent gesenkt hat, hat die US-Notenbank ihren Leitzins in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent belassen. Wahrscheinlich am wichtigsten: der S & P 500, der breiteste Aktienindex für US-Aktien, hat die Verluste (von fast zehn Prozent) seit Trumps großer Zollankündigung am 2. April wettgemacht, befindet sich auf dem Wege der Genesung, und – Extrajubel – unser deutscher Dax hat am Freitag sogar ein neues Rekordhoch geschafft.

Hilfreich war wahrscheinlich, dass der US-Präsident schon am 22. April nebenbei verkündet hatte, er habe nicht »die geringste Absicht«, den Chef der Notenbank Jerome Powell zu feuern. Das beruhigt Banker und Spekulanten, die es gern sehen, wenn Regierung und Zentralbank ganz unabhängig voneinander die für die Finanzmärkte günstigste Politik machen. Powell konnte so konstatieren, die US-Wirtschaft sei unverändert gesund, die Unsicherheit über die weiteren Aussichten sei zwar gewachsen, aber es bestehe keine Eile für unmittelbares Handeln.

Sir Keir (den Adelstitel hat er schon seit 2014) vertritt mit EU-Europa (und gegen Trump) militärisch die harte Linie gegen den Feind in Moskau, ökonomisch zeigt er nun, wie flexibel er mit Trump einen Deal machen kann: Die Zölle auf Stahl und Aluminium fallen weg und 100.000 im UK produzierte Autos dürfen jährlich statt mit 27,5 Prozent Zoll mit nur 10 Prozent Belastung in die USA eingeführt werden. Was englischer Verdienstadel kann, können deutsche Spitzenmanager auch. BMW-Zipse führt seinen Erfolg bei Trump darauf zurück, dass er dem Präsidenten klargemacht hat, dass die Münchner Autofirma der größte Autoexporteur der Vereinigten Staaten von Amerika ist. Er könnte auch Trumps Mitleid mit der Geschichte erregt haben, dass von BMW in China gefertigte SUVs und Elektrominis bei der Einfuhr in die EU mit 30 Prozent Importzoll belegt werden.

Schließlich der Blick auf spezifisch deutsche Harmonie. Noch nie war sie zwischen Regierung und Opposition schon beim Antritt einer Regierung größer. Die neue Ministerin für Wirtschaft Katherina Reiche (CDU) rührte bei der Amtsübergabe ihren Vorgänger Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) zu Tränen, als sie ihn »für seine übermenschlichen Anstrengungen« bei der Amtsführung pries. Bis in die Details hinein werde die Wirtschaftspolitik der neuen Regierung die der alten fortführen, waren sich CSU-Generalsekretär Martin Huber und Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner abends im ZDF bei Markus Lanz einig. Und noch besser: Ohne die ganz große Zweidrittelkoalition der Willigen, die auch Die Linke umfasst, wäre Merz zum Schaden Deutschlands erst ganze zwei oder fünf Tage später zu »unserem« Kanzler geworden.

Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen

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