Ohne Kampf keine Chance
Von Susanne Knütter
Sie sind für die Versorgung von zwei Krankenhäusern zuständig. Das bedeutet für die Beschäftigten der Charité Facility Management GmbH (CFM), die in der Großküche arbeiten, 6.000 Patienten, deren Teller und Besteck sie täglich transportieren und spülen. Es ist eine schwere Arbeit, aber sie ist sinnvoll. Wertgeschätzt wird sie trotzdem nicht. »Wir sind nicht Menschen zweiter Klasse, nur weil wir für unseren Job keine Berufsausbildung brauchen«, erläuterte Agnieszka, die mit ihren Kolleginnen und Kollegen von der Servicegesellschaft CFM seit nun mehr als acht Wochen streikt, bei der Streikkonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Sonnabend. Und tatsächlich haben viele der Kollegen Berufe gelernt, sagte Agnieszka. Wer Kritik hat, höre oft: »Wenn Ihr den Job nicht macht, macht ihn ein anderer.« Agnieszkas Motivation, sich dem Kampf, der in der CFM bereits 20 Jahre andauert, anzuschließen, ist vielschichtig. Entscheidend waren einerseits ihre Kollegen, andererseits die Fragen ihres Sohnes: »Warum, musst du fast jedes Wochenende arbeiten? Wozu hast du Abitur gemacht und einen Beruf gelernt? Warum lässt du dich so behandeln?«
Beim Kampf der CFM-Beschäftigten für höhere Löhne und Gleichstellung mit den direkt bei der Charité Angestellten kann man beobachten, was die Streikkonferenz anhand verschiedener Beispiele dokumentierte: Streik ist Selbstermächtigung der Beschäftigten. Für Agnieszka und ihre Kollegen geht es um noch viel mehr: etwa dem Sohn zu zeigen, »dass es sich lohnt, morgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen« und auch um die Kollegen bei den Tochterunternehmen von Vivantes, wo nächstes Jahr ein Arbeitskampf ansteht.
Anstelle von »Selbstermächtigung« könnte man wohl auch von dem Bewusstsein sprechen, dass man gemeinsam kämpfen muss, um nicht unterzugehen. Ein Beispiel dafür, wie Beschäftigte die »Transformation« selbst in die Hand nehmen (mussten), gab Frank Schilb, IG-Metall-Vertrauensleute-Sprecher bei dem japanischen Kranhersteller Tadano im rheinland-pfälzischen Zweibrücken. Insgesamt sieben Restrukturierungen in 25 Jahren hätten die ehemaligen Mannesmann-Beschäftigten unter den folgenden Eigentümern Terex und Tadano durchmachen müssen. Das Rezept war jedes Mal das gleiche: Stellen streichen, mal 300, mal 500. Als es im letzten Jahr wieder hieß: »Wir müssen restrukturieren«, war Schluss. 400 Stellen sollten gestrichen werden. Die verbleibenden Kollegen sollten auf 600 bis 1.000 Euro Lohn verzichten. Da sei klar gewesen, so Schilb, »wir müssen die Auseinandersetzung von der betrieblichen auf die tarifliche Ebene heben«. Der Organisationsgrad im Betrieb sei auf über 90 Prozent erhöht worden, wochenlange Aktionen folgten. Das Ergebnis ist nicht herausragend, aber mehr als die Kollegen ohne Kampf erreicht hätten: keine betriebsbedingten Kündigungen von Gewerkschaftsmitgliedern bis Ende 2028, Abfindungen bei freiwilligem Ausscheiden, kein Lohnverzicht, Beteiligung der Belegschaft an wirtschaftlichen Entscheidungen. 249 Stellen werden dennoch abgebaut und der Tadano-Standort in Wallerscheid muss Ende Juni schließen.
Dass die Arbeitsbedingungen in Ostdeutschland nur kämpferisch angegangen werden können, hat die NGG in Sachsen bereits mehrfach gezeigt, etwa bei Teigwaren Riesa, Frosta, Haribo oder Bautz’ner Senf. Björn Rietzschel, Betriebsrat bei der Edeka-Tochter Sonnländer Getränke im sächsischen Rötha, erläuterte auf der Konferenz, wie es den 160 Kollegen gelungen war, in den vergangenen Jahren mehr als 1.000 Euro Lohnerhöhung durchzusetzen. Am wichtigsten, so Rietzschel, seien die Vernetzung unter den Kollegen und klare Forderungen. Alle zwei Jahre zusammenkommen, um dann drei Prozent Lohnplus zu fordern – das bringe es nicht. In Rötha hätten sie 2019 begonnen, die krassen Unterschiede zur Bezahlung der westdeutschen Kollegen deutlich zu machen. Daraus sei dann die Lohnforderung hergeleitet worden: »Wir wollen 836 Euro mehr im Monat«. Die Manager seien weggerannt, als sie das hörten. 2023 haben die Kollegen dann 528 Euro mehr über einen Zeitraum von 28 Monaten erzielt, in diesem Jahr 551 Euro. »Bis jetzt hat sich noch kein Kollege beschwert«, resümierte Rietzschel.
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