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Aus: Ausgabe vom 13.11.2024, Seite 6 / Ausland
Italien

Widerspruch nicht geduldet

Italien: Verschärfte Repression gegen Medien – Lehrer wegen Kritik an Minister suspendiert
Von Pierrot Brotons
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Engagierter Lehrer und Autor: Christian Raimo auf Versammlung zur Kulturpolitik der gegenwärtigen Ultrarechtsregierung (Rom, 1.2.2024)

Christian Raimo ist Schriftsteller, Übersetzer und Lehrer an einem Gymnasium in Rom. Kritische Äußerungen zur Bildungspolitik wurden ihm zum Verhängnis – am 6. November ist er für drei Monate von der Arbeit suspendiert worden. Auch sein Gehalt soll in dieser Zeit um 50 Prozent gekürzt werden. Angeblich hat er gegen den Verhaltenskodex für Beamte des Bildungsministeriums verstoßen, als er sich auf einer Veranstaltung der linksliberalen Alleanza Verdi e Sinistra (AVS) kritisch gegenüber der Politik des aktuellen Bildungsministers Giuseppe Valditara von der extrem rechten Lega äußerte. Er warf diesem vor, verantwortlich für ein politisches Klima der Erniedrigung, der sozialen Spaltung und des Sexismus zu sein.

Die Gewerkschaft FLC-CGIL verteidigt Raimo, der seinerzeit AVS-Kandidat für das EU-Parlament war. Entsprechend habe er seine Äußerungen außerhalb seiner Funktion als Beamter getätigt, und es handle sich um Zensur. Genannter Verhaltenskodex wird von der Gewerkschaft als zu starke Einschränkung der Meinungsfreiheit eingestuft und soll dem Verfassungsgericht vorgelegt werden.

Der Fall Raimo ist ein weiteres Beispiel für die beängstigende Situation von Opposition und Presse unter der Regierung der Premierministerin ­Giorgia Meloni von den faschistischen »Brüdern Italiens«, die Kritik systematisch unterbindet. Besonders die Unabhängigkeit der staatlichen Rundfunkanstalt RAI ist in Gefahr, was historisch nicht neu ist. So kann die Regierung die Mitglieder des Verwaltungsrates ernennen und nimmt damit starken Einfluss auf die Berichterstattung. Weiter wird Kabinettsmitgliedern gesonderte Sendezeit für ihr politisches Programm eingeräumt, das ganz ohne journalistische Einordnung übertragen wird. Zudem werden regierungskritische Inhalte gestrichen, widerspenstige Moderatoren abgesetzt und unliebsame Berichterstatter juristisch verfolgt.

Ein prägnanter Vorfall, der die Einflussnahme zeigt, ereignete sich am 25. April, dem Gedenktag der Befreiung vom Nazifaschismus. An ihm sollte Antonio Scurati, ein bekannter Autor und Vertreter der antifaschistischen Medientheorie, eine Rede halten, die sich kritisch mit den faschistischen Wurzeln von Melonis Partei auseinandersetzte. Der Auftritt in einer Sendung auf RAI 3 wurde jedoch kurzfristig abgesagt, sein Beitrag dann von der Moderatorin vorgetragen. Bis heute hat sich die Regierung nicht öffentlich gegen den Faschismus positioniert. Aber sie verfolgt kritische Medienschaffende, wie im Juli auch das EU-Projekt »Media Freedom Rapid Response« in einem Bericht zu Italien festgehalten hat: Seit Melonis Amtsantritt gab es demnach 193 Verstöße gegen die Pressefreiheit, in einem vergleichbaren Zeitraum zuvor waren 54 registriert worden.

Ziel solcher Angriffe wurde zum wiederholten Male auch die Tageszeitung Domani. Gegen drei ihrer Autoren sind Gerichtsprozesse im Gange. Sie riskieren bis zu neun Jahre Haft. Die strafrechtlichen Ermittlungen beziehen sich auf Zeitungsartikel zu mutmaßlichen Interessenkonflikten des italienischen Verteidigungsministers Guido Crosetto (FdI), der jahrelang von der Rüstungsindustrie bezahlt wurde.

Ganz ungestört können die Regierungsvertreter hingegen ihre Ansichten verbreiten. Melonis Stellvertreter Matteo Salvini (Lega) veröffentlichte zum Beispiel im Zusammenhang der Anklagen gegen ihn wegen Amtsmissbrauchs in Sachen Migration vor dem Landgericht Palermo ein Video, in dem er die Opposition diffamiert und sich selbst als Patrioten und Verteidiger der inneren Sicherheit inszeniert.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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