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Aus: Ausgabe vom 04.11.2024, Seite 2 / Ausland
Gewerkschaften in Argentinien

»Die Regierung wird bald am Ende sein«

Argentinien: Präsident Milei kürzt auch im Bildungssektor dramatisch die Staatsausgaben. Proteste auf den Straßen. Ein Gespräch mit Julia Giuliani
Interview: Teresa Sum und Thorben Austen
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Die Demoroute führt zum »Ministerium für Deregulierung und Staatsumbau« in Buenos Aires (29.10.2024)

Seit Wochen gibt es in Argentinien große Proteste von Studierenden inklusive Besetzungen von Universitäten. Wie kam es dazu?

Seit Dezember 2023, ironischerweise mit der Amtseinführung am Tag der Menschenrechte, haben wir mit der Regierung von Javier Milei eine neofaschistische, neoliberale Regierung des Verrates der nationalen Interessen an der Macht. Milei startet einen Generalangriff auf die Rechte des argentinischen Volkes, Rechte, die wir nicht geschenkt bekamen, sondern erkämpft haben. Im Bereich der Universitäten sind wir durch das Veto von Milei gegen den Haushalt für die Universitäten mit dramatischen Mittelkürzungen konfrontiert.

Milei präsentiert sich mit seinen Kürzungsorgien als »Kettensägenmann«. Was sind die gravierendsten Einschnitte seiner Politik für die Arbeiterklasse in Argentinien?

Er setzt das um, was er angekündigt hat. Zum einen die Privatisierungen staatlicher Unternehmen, die Anhebung des Rentenalters sowie Kürzungen bei der Frauenpolitik, vor dem Hintergrund, dass es alle dreißig Stunden einen Femizid in Argentinien gibt. Außerdem Kürzungen in Programmen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Für mich ist die Gefährdung unserer nationalen Souveränität am bedeutendsten. Zum einen durch den geplanten Ausbau der Ausbeutung unserer natürlichen Ressourcen der Flüsse und Mineralien wie Lithium durch transnationale Unternehmen und zum anderen in der Außenpolitik zu Diensten der USA und Israel. Die Positionierung argentinischer Regierungen in weltweiten Kriegen war immer eine neutrale. Milei positioniert Argentinien dagegen an der Seite der Ukraine und Israels. Im Rahmen der Allianz mit den USA sollen neue Militärstützpunkte der Marine in mehreren Provinzen in Argentinien entstehen.

Welche Arbeit leistet Ihre Gewerkschaft?

Unsere Gewerkschaft wird im Januar 2025 ihr hundertjähriges Jubiläum feiern. Gegründet wurde sie von Saisonarbeitern im Hafen des Rio de la Plata, die bessere Arbeitsbedingungen, bessere Löhne und Verkürzung der Arbeitszeit durchsetzen wollten. Wir sind die älteste noch existierende Gewerkschaft in Argentinien und haben rund 365.000 Mitglieder. Wichtig war uns immer der antipatriarchale Kampf als Teil des Kampfes gegen Kolonialismus und Neoliberalismus, überhaupt der Kampf gegen Sexismus und das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper. Im Zuge dessen konnten wir durchsetzen, dass 50 Prozent der Posten in der Gewerkschaft von Frauen besetzt sind.

Wie ist die Situation von Gewerkschaften in Argentinien?

Wir waren immer eine klassenkämpferische Gewerkschaft, in der Streiks zum täglichen Geschäft gehören. Das ist aber auch in anderen Gewerkschaften so, vor allem in denen, die in der Confederación General del Trabajo organisiert sind. CGT unterstützt die großen Studentenproteste- und Streiks, die Kämpfe der Rentner und andere.

Das klingt, als funktioniere alles gut in der Gewerkschaftsbewegung in Argentinien.

Es gibt auch Probleme wie die fehlende Bereitschaft, an Mobilisierungen teilzunehmen, fehlende Selbstkritik, fehlendes kritisches Denken und unzureichende politische Bildung.

Sind die Gewerkschaften gut vorbereitet auf den Kampf mit Milei?

Wir haben lange Erfahrung in gewerkschaftlichen Kämpfen. Argentinien ist das Land mit dem höchsten gewerkschaftlichen Organisationsgrad in Lateinamerika, es herrscht ein hohes Klassenbewusstsein und ein starkes soziales Leben in den Gewerkschaften, zum Beispiel über Gewerkschafts- und Arbeiterklubs.

Gibt es Repression gegen gewerkschaftliche Organisation?

Es gibt diverse Formen der Kriminalisierung und juristischer Verfolgung von Gewerkschaftsfunktionären in den Provinzen. Die Kriminalisierung und die »Arbeitsreformen« haben aber in den elf Monaten Milei bereits jetzt zu besseren Strukturen, Disziplinierung und höherem Bewusstsein in den Gewerkschaften geführt. Heute leben 60 Prozent der Menschen in Argentinien in Armut, laut Zahlen von UNICEF gehen eine Million Kinder hungrig ins Bett. Ich bin aber optimistisch und gehe davon aus: Das Ende der Regierung Milei wird bald erreicht sein.

Julia Giuliani ist Mitglied des Nationalen Vorstandes der Asociación Trabajadores de Estado (ATE)

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