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Aus: Ausgabe vom 01.11.2024, Seite 4 / Inland
Polizeigewalt

Auf Aug und Ohr

Schmerzgriffunterlagen bleiben intern
Von Kristian Stemmler
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Schmerzgriff gegen eine Demonstrantin in Berlin (18.9.2023)

Im juristischen Streit um den Einsatz sogenannter Schmerzgriffe durch die Polizei hat das Internetportal »Frag den Staat« eine Niederlage erlitten. Das Verwaltungsgericht Berlin wies am Donnerstag eine Klage des Portals auf Herausgabe von Unterlagen ab, wie ein Sprecher des Gerichts gegenüber junge Welt bestätigte. »Frag den Staat« hatte die Behörde im Herbst 2022 unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz zur Herausgabe von Schulungsunterlagen aufgefordert, aus denen die Vorgaben für den Einsatz von Schmerzgriffen hervorgehen. Die Polizei hatte dies abgelehnt, weshalb das Portal vor Gericht zog.

Die Behörde hatte ihre Ablehnung damit begründet, dass die betreffenden Unterlagen als »Verschlusssache« deklariert seien. »Das Gericht hat diese Einordnung bestätigt«, erklärte der Sprecher. Es habe sich der Argumentation angeschlossen, dass der Auftrag der Polizei zur Gefahrenabwehr gefährdet sei, wenn »einsatztaktische Maßnahmen« öffentlich würden. Die Klägerseite hatte eingewandt, die fraglichen Techniken seien der Öffentlichkeit längst bekannt.

Mit sogenannten Schmerzgriffen werden mit oft aus dem Kampfsport entlehnten Techniken einer Person extreme Schmerzen zugefügt, um sie zum Beispiel zum Aufstehen zu zwingen. Viele Rechtswissenschaftler sehen in der Anwendung von Schmerzgriffen einen Verstoß gegen das Folterverbot der EU. Bereits im August 2023 hatte »Frag den Staat« interne Schulungsunterlagen der Berliner Polizei zum Thema im Internet veröffentlicht.

Aus dem Lehrmaterial geht hervor, dass Berliner Polizisten – zumindest bis 2020 – beigebracht wurde, möglichst sensible Körperregionen zu attackieren – die »Schmerzpunkte«. So sollten sie gezielt Ohren, Nase, Kiefer oder den Genitalbereich angreifen. Aufklärung darüber, wann diese Schmerzgriffe überhaupt zum Einsatz kommen dürfen und welche Folgen sie für Betroffene haben, finden sich nicht in den geleakten Seiten, so »Frag den Staat«.

Vor dem Berliner Verwaltungsgericht ist noch die Klage eines betroffenen Demonstranten anhängig. Dieser hatte im Mai 2023 im Eilverfahren keinen Erfolg. Ob das polizeiliche Einschreiten mit einem »Schmerzgriff« in diesem Fall rechtswidrig war, soll jetzt im Rahmen einer Klage im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Wann darüber entschieden wird, ist noch offen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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