Schuldig, Journalist zu sein
Von Ina SembdnerÜber ein Jahrzehnt wurde er von den USA vor allem für die Veröffentlichung ihrer Kriegsverbrechen in Afghanistan und Irak politisch verfolgt, im Juni dann die überraschende »Einigung« und Entlassung des Wikileaks-Gründers aus der britischen Isolationshaft. Am Dienstag stellte Julian Assange vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Strasbourg klar: »Ich bin heute nicht frei, weil das System funktioniert hat. Ich bin heute frei, weil ich mich nach Jahren der Inhaftierung schuldig bekannt habe – und zwar schuldig, Journalismus betrieben zu haben.«
Der Ausschuss für Recht und Menschenrechte hatte Assange geladen. Basierend auf einem Bericht der isländischen Politikerin Þórhildur Sunna Ævarsdóttir schlägt der Ausschuss verschiedene Maßnahmen vor, über die die Versammlung an diesem Mittwoch abstimmen soll. Darunter ist die Forderung nach einer Reform des US-Spionagegesetzes, auf dessen Basis der gebürtige Australier von den USA angeklagt worden war, und nach einem besseren Schutz von Whistleblowern.
Gekleidet in einem schwarzen Anzug, saß Assange zwischen seiner Frau Stella und dem Wikileaks-Redakteur Kristinn Hrafnsson und las seine anfänglichen Bemerkungen von Zetteln ab. Fast entschuldigend erklärte er: »Ich bin noch nicht ganz in der Lage, über das zu sprechen, was ich durchgemacht habe.« Die Isolation habe »ihren Tribut gefordert, und ich versuche, sie zu überwinden«. Aber: »Es ist gut, zurück zu sein. Es ist gut, unter Menschen zu sein, die sich – wie wir in Australien sagen – einen Dreck scheren.« Dank richtete Assange an jene, »die für meine Befreiung gekämpft haben und die vor allem verstanden haben, dass meine Befreiung mit ihrer eigenen Befreiung verbunden war«.
Konsterniert erklärte er mit Blick auf aktuelle Kriegsschauplätze: »Früher haben wir wichtige Videos von Kriegsverbrechen veröffentlicht, die eine öffentliche Debatte auslösten.« Heute würden die Grausamkeiten live gestreamt, Hunderte von Journalisten getötet. »Die Straflosigkeit nimmt weiter zu (…) und es ist unklar, was wir dagegen tun können.«
Siehe auch
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
-
Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (2. Oktober 2024 um 11:06 Uhr)Aber wir »Westler« und unsere »amerikanischen Freunde« sind und bleiben dennoch nach wie vor die (einzigen) Guten und kämpfen weiter gegen das Böse in der Welt. Mann, wie ist mir zum Kotzen!
- Antworten
Mehr aus: Ausland
-
Historischer Tag in Mexiko
vom 02.10.2024 -
Teherans Vergeltungsangriff
vom 02.10.2024 -
Wugledar gefallen
vom 02.10.2024 -
Vance contra Walz
vom 02.10.2024 -
Assange kämpft weiter
vom 02.10.2024 -
Israel marschiert im Libanon ein
vom 02.10.2024 -
Der teure Krieg
vom 02.10.2024 -
China bleibt sozialistisch
vom 02.10.2024 -
Die Blockade durchbrechen
vom 02.10.2024 -
Guatemalas Oktober
vom 02.10.2024