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Aus: Ausgabe vom 02.10.2024, Seite 1 / Titel
Friedensbewegung

Dialog statt Atomtod

An diesem Donnerstag findet in Berlin die bundesweite Demonstration »Nein zu Krieg und Hochrüstung! Ja zu Frieden und internationaler Solidarität« statt
Von Arnold Schölzel
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Mehr denn je bedarf die Bundesrepublik einer starken Friedensbewegung. Allein die kurze bilaterale Mitteilung vom 10. Juli am Rande des NATO-Gipfels in Washington, ab 2026 in der Bundesrepublik neue weitreichende US-Mittelstreckenraketen zu stationieren, signalisiert: Die Kriegsvorbereitung wird beschleunigt, die Desinformation gesteigert. Mit den neuen Geschossen soll angeblich eine »Fähigkeitslücke« gegenüber Russland geschlossen werden. Die NATO ist aber bei see- und luftgestützten Waffen nach eigenen Angaben haushoch überlegen. Die Raketen, Marschflugkörper und Hyperschallwaffen sind Erstschlagswaffen, die aufgrund extrem kurzer Vorwarnzeiten das Risiko eines Atomkrieges auf deutschem Territorium – nicht auf dem der USA – sprunghaft erhöhen. Sie können nicht nur konventionelle, sondern auch atomare Sprengköpfe tragen. Anders als vor 40 Jahren sollen die Raketen nicht in mehreren NATO-Ländern, sondern nur in der Bundesrepublik stationiert werden. Eine öffentliche Debatte wurde unterbunden.

Die Demonstranten an diesem 3. Oktober protestieren nicht nur gegen diese Stationierung, sondern generell gegen die Politik des Westens – einschließlich der Bundesregierung –, in Europa statt einer Friedens- eine Kriegsordnung zu errichten. Hinzu kommt der Krieg in Nahost, der sich ebenso wie der in der Ukraine zu einem großen Krieg auszuweiten droht. Die Bundesregierung rüstet auf wie noch nie und trägt aktiv zur Verlängerung und Zuspitzung beider Konflikte bei. Panzer aus Deutschland fahren durch die russische Region Kursk, wo vor 81 Jahren schon einmal deutsche Panzer rollten. Die deutsche Außenministerin phantasiert von deutschen Soldaten in Gaza. Im eigenen Land sollen alle Generationen »kriegstüchtig« gemacht werden. Der reaktionär-militaristische Staatsumbau unterwirft Grundrechte wie Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit der Willkür von Polizei und Geheimdienst.

Am 3. Oktober 1990, dem Tag des DDR-Anschlusses, endete die Nachkriegszeit, begann die neue Vorkriegszeit. Seitdem geht von deutschem Boden wieder Krieg aus. Das war die wirkliche »Zeitenwende«. Ihr Resultat ist die akute Kriegsgefahr, für deren Beseitigung die Demonstranten auf die Straße gehen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Doris Prato (4. Oktober 2024 um 12:20 Uhr)
    Bereits im September 1991 trafen sich auf einem von der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, der Führung der Hardthöhe und der rechtsaußen angesiedelten Clausewitz-Gesellschaft auf einem »Fürstenfeldbrucker Symposium« führende Vertreter der Industrie- und Bankenwelt mit hochrangigen Generälen der Bundeswehr mit Exverteidigungsminister Ruppert Scholz an der Spitze, um das neue Expansionsprogramm der BRD zu beraten. Mit der Verkündung zur Rückkehr zu weltweiter Aggressionspolitik als Wiederherstellung der »Normalität« Deutschlands, läutete sie, wie der Autor schreibt, die »neue Vorkriegszeit« ein.
    In junge Welt prangerte Tobias Pflüger in »Generalstab in Aktion« am 12. Januar 2002 an, dass von Militäreinsätzen der Bundeswehr out of Area die Rede war, von ihrer Umstrukturierung zur Herstellung der Einsatzfähigkeit entlang einer 4.000 km langen EU-Außengrenze, der Bildung eigener Eingreifkräfte, die das »Selbstbestimmungsrecht« von Minderheiten und »unterdrückten« Völkern durchsetzen, sich der Gefährdung von Rohstoffzufuhr, der Begegnung von Immigrationswellen und diversen ähnlichen Problemen zuwenden sollten. Dazu wurde ein neues Geschichtsbild gefordert, das mit Auschwitz und Holocaust Schluss machen und stattdessen »Nation und Vaterland« zum Inhalt haben sollte. Es ging nicht nur um das Revidieren der Nachkriegsordnung, sondern weiter zurückreichend auch um die des Ersten Weltkrieges. Davon zeugte die Konzeption der Zerschlagung Jugoslawiens. Ruppert Scholz erinnerte daran, dass »der Jugoslawienkonflikt unbestreitbar fundamentale gesamtdeutsche Bedeutung« habe, da mit ihm »die wichtigsten Folgen des Zweiten Weltkrieges überwunden und bewältigt« werden müssen. »Aber in anderen Bereichen«, so Ruppert weiter, »sind wir heute damit befasst, noch die Folgen des Ersten Weltkrieges zu bewältigen.« Diese bestanden darin, dass der jugoslawische Staat nach dem Ersten Weltkrieg eine Barriere gegen den »Deutschen Drang nach Osten« sein sollte, welche es nach Rupperts Worten zu beseitigen galt. Und dass deshalb »Kroatien und Slowenien völkerrechtlich unmittelbar anerkannt werden« müssten. Die so bezweckte Internationalisierung des Konflikts ermögliche, so der deutsche Exverteidigungsminister, international in Jugoslawien zu intervenieren, wozu die BRD dann mit der einseitigen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens, gefolgt von Österreich und dem Vatikan, den Weg frei machte. Ins Werk setzte das der damalige bundesdeutsche Außenminister der Liberalen, Dietrich Genscher.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (2. Oktober 2024 um 11:36 Uhr)
    Der Artikel von Arnold Schölzel verwendet eine stark alarmierende, jedoch einseitige Rhetorik, die wenig Raum für eine differenzierte Betrachtung der geopolitischen Lage lässt. Die Pauschalkritik an der Bundesregierung und der NATO vernachlässigt komplexe sicherheitspolitische Interessen. Zudem wird kaum Platz für die Perspektive gelassen, dass Abschreckungspolitik auch zur Friedenssicherung beitragen kann. Dennoch ist Schölzels Artikel ein leidenschaftlicher Appell für den Frieden und gegen die zunehmende Militarisierung Deutschlands. Er stellt eine wichtige Gegenstimme in der öffentlichen Debatte dar, besonders im Hinblick auf die Verhinderung eines neuen Wettrüstens und die Risiken, die mit atomarer Aufrüstung einhergehen. Seine Forderung nach einer stärkeren Friedensbewegung ist angesichts der aktuellen Konflikte von großer Bedeutung.