Eine Frage der Hegemonie
Mit migrationspolitischen Positionierungen werden Gewerkschaften in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Das war auch 2015 nicht anders. Die gewerkschaftliche Selbstverständigung im damaligen »Sommer der Migration« und danach hat die Politikwissenschaftlerin Neva Löw untersucht. Sie nimmt dabei sowohl die Ebene der programmatischen Artikulation als auch die politische und organisatorische Praxis in Deutschland und Österreich den Blick.
Als »Analyseachsen« thematisiert die Autorin dabei jeweils ausführlich »Willkommensbewegungen und Gewerkschaften«, »Positionen der Gewerkschaften zu Fluchtmigration«, »Erzählungen und Erklärungen der Gewerkschafter:innen zum Sommer der Migration« und »Arbeitskämpfe im Zuge der Ereignisse 2015«. Ihr geht es dabei darum, »das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Migration nicht als ein externes zu behandeln, sondern als ein umkämpftes, den Gewerkschaften inhärentes Verhältnis zu begreifen«.
Löw sieht die gewerkschaftliche Diskussion durch unterschiedliche »Hegemonieprojekte« strukturiert. Während allerdings die Hegemonieprojekte linksliberal-alternativen, neoliberalen und konservativen Zuschnitts die Gewerkschaften lediglich beeinflusst und »beschäftigt« hätten, seien Akteure eines »proeuropäisch-sozialen« und eines »national-sozialen« Ansatzes in den Gewerkschaften tatsächlich vertreten. Dabei sei »der Referenzpunkt des nationalen Wohlfahrtsstaates eine wesentliche Spaltungslinie«. Bislang habe sich keines der beiden Projekte »eindeutig innerhalb der Gewerkschaften durchgesetzt«. (jW)
Neva Löw: Solidarität und ihre Widersprüche. Gewerkschaften im Sommer der Migration 2015. Transcript, Bielefeld 2023, 282 Seiten, 45 Euro
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