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Aus: Ausgabe vom 14.09.2024, Seite 11 / Feuilleton
Blinde Flecken

Freuden des Verbotswesens: Vater Staat raucht nicht mehr

Von Marc Hieronimus
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Rauchen nur am Schandpfahl: Szenen aus Großbritannien

Anderen Verhältnissen gegenüber ist man schnell mit einem Urteil dabei, die eigenen »normalen« bleiben zu gern ein blinder Fleck. Wenn sich die Raucher in Großbritannien bald wieder wie Kinder verstecken müssen, um in Ruhe eine durchzuziehen, finden wir das vielleicht übertrieben oder ein bisschen skurril, aber niemand fragt mehr, warum man die Bürger überhaupt vor ihren Angewohnheiten schützen soll. Korrigiere: Warum der Staat uns zum Glück zwingen darf, denn Sie und ich und Liesbeth Müller gebieten ja allenfalls über Kinder und Haustiere.

Weil »Rauchen tötet«? Ts, bitte …! Zigaretten essen vielleicht, oder trinken, wie die Türkin sagt (sigara içmek), aber sich mit Rauchen umzubringen ist harte und kostspielige Arbeit. Übertriebenes Rauchen macht krank, das ja. Ist es also volkswirtschaftlich billiger, wenn wir es lassen? Kaum. Letztes Jahr hat die BRD 14,7 Milliarden Euro Tabaksteuer eingenommen, und wie viel Rente sie an früh verstorbene Tabaknarren nicht auszahlen musste, wird gar nicht erst erhoben.

Geht es darum, das Proletariat fit zu halten? Das wäre sicher motivierter, wenn es den kleinen Freuden unbeschwerter frönen dürfte, und wenn schon Gesundheitsfürsorge, dann sollte man auch bei Alkohol und Zucker ansetzen. Nein, der Staat reguliert, weil er es kann und weil es seine Natur ist. Er stirbt erst ab, wenn die »Menschen sich nach und nach gewöhnen werden, die elementaren, (…) Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens einzuhalten, sie ohne Gewalt, ohne Zwang, ohne Unterordnung, ohne den besonderen Zwangsapparat, der sich Staat nennt, einzuhalten« (Lenin, »Staat und Revolution«).

Noch ist er wie Helikoptereltern darauf aus, die Menschen in seiner Obhut vor sich selbst zu schützen und deren Selbständigkeit möglichst lange hinauszuzögern. Fürsorge ist Kontrolle, Verbote bedeuten Autorität. Besonders gerne lenken Vater Staat und Vater und Mutter die Gedanken der Zöglinge. Dabei geht es neben dem Machterhalt auch um die Reduktion kognitiver Dissonanz. So viel läuft schief, da fehlt gerade noch, dass die Kinder anfangen zu denken und naseweis mit dem Finger darauf zeigen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (16. September 2024 um 09:00 Uhr)
    Welche Zielgruppe hat man mit diesem Artikel im Auge? Anarchisten? Spontis? Lenin wird missbraucht und aus dem Zusammenhang gerissen. Auch im bürgerlichen Staat gibt es jede Menge Regeln, die vernünftig sind. Welcher Linke, der noch bei Trost ist, würde die Schulpflicht abschaffen wollen? Gegen das Verbot, mit 150 Sachen durch Wohngebiete zu rasen, können auch nur Wahnsinnige sein. Eine Definition: »Ein Rauchverbot verbietet, Tabak (und oft auch vergleichbare Substanzen) an bestimmten Orten abbrennen zu lassen. Ziel ist in der Regel der Schutz der Anwesenden vor den Gefahren des Passivrauchens, der Brandschutz oder die Vermeidung von Verschmutzungen«.

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