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Aus: Ausgabe vom 13.09.2024, Seite 1 / Titel
Power to the Bauer

Brodeln unterm Acker

Protest gegen Existenznot: Bauern laufen sich bei Agrarministerkonferenz in Oberhof warm. Preise durch Billigimporte und Multis unter Druck
Von Oliver Rast
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So soll’s wieder sein in der heißen Protestphase: Massenaufmarsch der Landwirte in Stuttgart im März 2021

Sprünge von der Schanze, Schüsse auf die Scheibe, Rennen in der Röhre. Für Wintersport steht Oberhof – der Ort im Thüringer Wald, in etwa 815 Metern Höhe. Unweit des Schützenbergs, des Schneekopfs, des Großen Beerbergs. Aber nicht nur: Die Agrarministerkonferenz (AMK) von Bund und Ländern kam am Donnerstag zu ihrer zweitägigen Herbsttagung in Oberhof zusammen. Turnusgemäß, standesgemäß in einem Sternehotel.

Landwirte campieren hingegen vor der Bettenburg, aus Protest. Aufgerufen hatte der Thüringer Bauernverband (TBV). Viel Platz vor dem Hotel zum Ausbreiten war nicht, erzählt TBV-Pressesprecherin Katja Förster am Donnerstag im jW-Gespräch. Ein Schilderwald zum Bürokratieabbau, ein paar Strohballen – und Trettraktoren. »Eher symbolisch für Kolonnen von Schleppern«, so Förster weiter. Nachmittags stiegen ferner 194 Ballons in die Luft. »Wir haben bereits im Februar einen Katalog mit 194 Forderungen präsentiert.« Was ist draus geworden? Förster: »Null, seitens der Agrarpolitik hat sich nichts bewegt.«

Dabei ist die Topliste der AMK pickepackevoll, 36 Punkte für zwei Tagungstage: Von der EU-Agrarpolitik über agrarwirtschaftliche Rahmenbedingungen samt Umweltaspekten hierzulande bis hin zum Tierhaltungskennzeichen und Frostschäden im Weinbau. Alles, was Bauern bewegt.

Täuschen darf der kleine Protestaufzug in Oberhof nicht. »Es brodelt unter dem Acker«, weiß Martin Schulz. Kräftig. Dass aktuell keine Bauernmassen demonstrieren, blockieren, rebellieren hat einen simplen Grund. »Wir arbeiten auf unseren Feldern, holen die Ernte ein, sorgen für Versorgungssicherheit«, betonte der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) am Donnerstag gegenüber jW.

Keine Frage, Landwirte dürften rasch wieder in Rage sein. Der wochenlange Aufruhr Anfang des Jahres ist Beleg genug. Auslöser damals: die schrittweise Abschaffung der Agrardieselbeihilfe für Land- und Forstwirte. Ein Spritzuschuss für Trecker, Mähdrescher und Co. im Volumen von zirka 440 Millionen Euro fällt weg. Die Ampelfraktionen sicherten der Bauernschaft etwa für das Ende der Kfz-Steuervergünstigung einen Ausgleich zu. Passiert ist: nichts.

Ähnlich bei Erzeugerpreisen, sprich den Erlösen für Erträge. Beispiel: Milchwirtschaft. Eine Vertragspflicht für Molkereien gegenüber Milchproduzenten über Preise und Liefermengen war durch das Bundeslandwirtschaftsministerium fix zugesagt worden. Kam aber nicht. Und bis zum Ende der Ampel bleibe das auch so, weiß der Sprecher für Agrarpolitik der AbL, Ottmar Ilchmann, im Gespräch mit dieser Zeitung: »Die FDP grätscht dazwischen.« Aber auch der Deutsche Bauernverband (DBV) springt nicht in die Bresche. »Kein Wunder«, findet Ilchmann. Die Großagrarier vom DBV negieren den Interessenkonflikt, agitieren lieber gegen Öko- und Tierschutzauflagen.

Wie dramatisch die Lage ist, zeigen zwei Zahlen: 1995 gab es noch 590.000 Höfe in der BRD, derweil sind es weniger als die Hälfte, rund 255.000. Eine Trendumkehr? Nicht in Sicht. Die Rallye in den Ruin dürfte sich noch beschleunigen. Dank Billigimporten und Monopolmacht der Agrarmultis, sagten unlängst Vertreter der Freien Bauern zu jW.

Also, Zündstoff gibt es genug. Immerhin: Oberhof war ein Protestprolog. Sportlicher wird es, wenn die bäuerliche Graswurzelbewegung zum Jahreswechsel wieder in die Spur kommt, Tempo aufnimmt, Stunk macht.

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (13. September 2024 um 12:04 Uhr)
    Und das dicke Ende steht den deutschen Agrarbetrieben erst noch bevor, und zwar dann, wenn der Krieg in der Ukraine zu Ende gegangen sein wird und die westlichen Großkonzerne und Banken freien Zugriff auf die riesigen und höchst fruchtbaren Agrarflächen der Ukraine haben werden. Kein westlicher Betrieb wird dann mehr konkurrenzfähig sein und Brüssel wird diese nicht ewig subventionieren. Die polnischen Bauern können jetzt schon ein Klagelied davon singen.