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Aus: Ausgabe vom 11.09.2024, Seite 7 / Ausland
Chile

Putschgedenken eskaliert

Chile: Gewaltsame Auseinandersetzungen bei Demonstration – ein Teilnehmer stirbt nach Messerangriff. Präsident Boric bleibt fern
Von Volker Hermsdorf
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Erinnerung an den faschistischen Staatsstreich vor 51 Jahren unerwünscht: Festnahme am Sonntag in Santiago de Chile

An diesem Mittwoch jährt sich in Chile der Putsch gegen die linke Volksfrontregierung des gewählten Präsidenten Salvador Allende zum 51. Mal. Beim Gedenkmarsch am Sonntag lieferten sich Polizei und Demonstranten heftige Auseinandersetzungen. Angeführt von Angehörigen der verhafteten, verschwundenen und ermordeten Diktaturopfer hatten sich mehrere tausend Teilnehmer hinter einem Transparent der Kommunistischen Partei an einem Zug durch das Zentrum der Hauptstadt Santiago de Chile beteiligt. Örtlichen Medien zufolge gingen die berüchtigten Carabineros am Rande des überwiegend friedlichen Gedenkmarsches mit Tränengas und Wasserwerfern gegen einzelne Demonstranten vor. Mindestens 30 von ihnen wurden verhaftet, mehrere verletzt. Ein mutmaßlich rechter Angreifer, der später als Patricio Salerick Villafaña Juica identifiziert und beim Verlassen einer Streikpostenkette der Carabineros gesehen wurde, stach mit einem Messer auf drei Teilnehmer der Demonstration ein. Der 26jährige Alonso Verdejo erlag später seinen schweren Verletzungen in Bauch und Rücken, wie das Portal Resumen Latinoamericano berichtete.

»Dies ist kein einmaliges Ereignis, sondern leider schon bei anderen Gedenkfeiern passiert, die mit Todesfällen endeten«, erklärte der Vorsitzende des Partido por la Democracia, Jaime Quintana, dem Nachrichtenportal Cooperativa. In sozialen Netzwerken wurden die Repressionen der Regierung von Gabriel Boric gegen die friedlichen Teilnehmer des Zuges angeprangert. Anders als im Vorjahr war der rechte Sozialdemokrat den Demonstrationen, die seit dem Ende der Diktatur Tradition sind, ferngeblieben. Die kommunistische Arbeitsministerin Jeannette Jara sowie Wirtschaftsminister Nicolás Grau beteiligten sich hingegen. Bereits im Vorjahr war Boric dafür kritisiert worden, dass er seine Rede zum Jahrestag des Putsches, bei dem der Marxist Allende auch deswegen gestürzt wurde, weil er Kupferminen und andere Unternehmen im Besitz von US-Konzernen verstaatlicht hatte, auf einen bloßen »Appell für Demokratie und Menschenrechte« reduzierte. Die Rolle der CIA und die US-Unterstützung für den faschistischen Diktator Augusto Pinochet – während dessen 17 Jahre dauernder Gewaltherrschaft Folter, Verschwindenlassen, Morde und Repression an der Tagesordnung waren – hielt der Staatschef selbst am 50. Jahrestag nicht für erwähnenswert.

Kritiker warfen ihm außerdem vor, zu einer von seiner Regierung organisierten zentralen Gedenkfeier weder Vertreter Kubas noch Russlands eingeladen zu haben, obwohl diese Länder Tausenden Verfolgten der Diktatur Schutz gewährt hatten. Vertreter der USA, des Landes also, das den Staatsstreich initiiert und Pinochet unterstützt hatte, waren hingegen im Palacio de La Moneda willkommen. Nach offiziellen Angaben wurden 1.469 Menschen während des Militärregimes inhaftiert, verschwanden oder wurden hingerichtet, ohne dass ihre Leichen je übergeben wurden. Der Verbleib von 1.100 Personen ist bis heute unbekannt.

Auf manche wirkt es wie eine Verhöhnung der Opfer, dass Boric und seine Regierung sich kurz vor dem 51. Jahrestag weiter an dessen einstige Hintermänner annähern. Mit dem Hinweis »Wir vergessen die faschistische Diktatur nicht, die wegen der wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen transnationaler Unternehmen installiert wurde« protestierten unter anderem Angehörige der militanten Mapuche-Organisation »Coordinadora Arauco-Malleco« gegen ein Treffen chilenischer Militärs und Politiker mit der Oberbefehlshaberin des US-Südkommandos, Generalin Laura Richardson, und dem Stabschef der US-Streitkräfte, Luftwaffengeneral Charles C. Brown, am 27. August in Santiago. Dabei sei es um die Zusammenarbeit gegen »regionale Bedrohungen der Demokratie« gegangen, heißt es in einem Southcom-Protokoll. Mit Hinweis auf Venezuela, »wo Nicolás Maduro weiterhin den demokratischen Willen des venezolanischen Volkes untergräbt«, forderte die Southcom-Chefin ihre chilenischen Partner dazu auf, »sicherzustellen, dass wir uns weiterhin darauf konzentrieren, über alle Bereiche und Grenzen hinweg zu arbeiten, um eine freie, sichere und wohlhabende westliche Hemisphäre zu gewährleisten«. Mit ähnlichen Begründungen hatten die USA vor gut 50 Jahren auch den Putsch gegen Salvador Allende vorbereitet.

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