Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
Gegründet 1947 Montag, 2. Dezember 2024, Nr. 281
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
Aus: Ausgabe vom 10.09.2024, Seite 1 / Titel
Streumunition

Bombenregen aus der BRD

UN-Organisation: Berlin verstößt mutmaßlich gegen Streubombenkonvention. Litauen als erster Staat aus Übereinkommen ausgetreten
Von Arnold Schölzel
1.JPG
In der Nähe von Charkiw am 10. Juni 2022: Ein entleerter Behälter für Streumunition

Unweit von Ramstein in Rheinland-Pfalz unterhalten die USA in Miesau an der Autobahn 6 das größte Munitionsdepot außerhalb ihrer Grenzen. Am 25. Juli machte ein »Panorama«-Beitrag in der ARD öffentlich, dass von dort auf Straßen u. a. Streumunition in die Ukraine geliefert wird. Die hatte US-Präsident Joseph Biden im Juli 2023 zugesagt. Die durch Deutschland ungehinderte Lieferung werfe »ernste Fragen« auf, erklärte bei der Vorstellung des »Streumunitionsmonitors 2024«, der vom UN-Institut für Abrüstungsforschung (UNIDIR) jährlich vorgelegt wird, dessen Redakteurin Mary Wareham am Montag in Genf. Genauer: Die Bundesrepublik verstößt gegen die von ihr unterzeichnete sogenannte Streubombenkonvention (Convention on Cluster Munition – CCM) von 2010. Der Vertrag verbietet Entwicklung, Produktion, Lagerung und den Transport von Streumunition. Die 112 CCM-Unterzeichnerstaaten verpflichten sich laut Artikel 21 des Übereinkommens zudem, »sich nach besten Kräften« zu bemühen, »Staaten, die nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, vom Einsatz von Streumunition abzubringen«. Das ist ausreichend schwammig, so dass etwa Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) zu Bidens Lieferversprechen im Juli 2023 lediglich sagte, für die Bundesrepublik gelte das CCM. Regelbasiert heißt, sich nicht mehr an völkerrechtliche Verträge zu halten.

Das fällt Berlin besonders leicht, weil weder die USA noch die Ukraine der CCM beigetreten sind. Nichtmitglieder sind u. a. auch Russland, China, Saudi-Arabien, der Iran, Brasilien und Argentinien. Aus der EU sind Finnland, Rumänien, Griechenland, Polen, Lettland und Estland nicht dabei. Die Zahl der Verweigerer erhöht sich nun: Am 25. Juli unterzeichnete der litauische Präsident Gitanas Nausėda den Parlamentsbeschluss, die Konvention zu verlassen. Damit begann eine sechsmonatige Frist bis zum endgültigen Austritt. Litauen, das demnächst dauerhaft eine Bundeswehrbrigade beherbergen wird, ist der erste Staat, der sich aus dem CCM zurückzieht. Zur Begründung sagte Verteidigungsminister Laurynas Kasčiūnas völkerrechtlich Interessantes: »Selbst, wenn Verbündete dieses Werkzeug auf unserem Territorium einsetzen wollten, könnten sie es nicht tun, nicht einmal, um es durch Litauen zu transportieren.« Bedenken solcher Art sind in Berlin offenbar kein Problem. Kasčiūnas meinte, die Zugehörigkeit zur Konvention bringe »die gesamte Ostflanke völlig aus dem Gleichgewicht und muss zweifellos behandelt werden«.

In der Ukraine zählt der UN-Bericht insgesamt rund 1.000 Tote durch Streumunition seit 2022. 2023 seien es etwa 220 gewesen. Dieser Munitionstyp sei im Krieg von beiden Seiten eingesetzt worden. Myanmar und Syrien – beide auch keine CCM-Unterzeichner – waren die einzigen anderen Länder, für die 2023 Angriffe mit Streumunition registriert wurden.

Auf Nachfrage beteuerten die Autoren des Berichts, es gebe keine Belege, dass Israel in Gaza Streumunition einsetze. Nachgewiesen ist, dass Israel 2006 allein im Südlibanon etwa vier Millionen sogenannter Bomblets abwarf, von denen eine Million nicht explodierten. Die würden in naher Zukunft beseitigt, hieß es am Montag in Genf. Die am stärksten munitionsverseuchten Staaten bleiben Laos, Kambodscha und Vietnam. Allein auf Laos ließen die USA zwischen 1965 und 1973 insgesamt 260 Millionen Streumunitionexemplare regnen, von denen etwa 30 Prozent nicht explodierten.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Nazikult ungebrochen: Nicht nur in Lwiw wird Stepan Banderas Geb...
    30.04.2024

    Bandera-Lobby greift an

    USA: Experte für ukrainischen Faschismus, Moss Robeson, von Nationalisten attackiert und verletzt
  • Waffengeschäfte in der US-Exklave Ramstein Air Base: Ministerin ...
    27.04.2022

    Sieg statt Frieden

    Kriegsrat tagt in Ramstein: USA fordern, Berlin folgt und liefert Panzer. Lawrow warnt vor Eskalation. Guterres in Moskau
  • In Elite und Öffentlichkeit Russlands ist die NATO schon in den ...
    22.04.2022

    Verzerrte Spiegelung

    Globale Rivalitäten. 30 Jahre führten die USA und ihre Verbündeten Kriege für ihre Weltordnung. Jetzt spielt Russland mit seinem Krieg gegen die Ukraine dem Westen dessen eigene Melodie vor