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01.09.2024, 21:09:31 / Inland
Wahlen in Sachsen und Thüringen

Linke im freien Fall

Die Selbstauflösung der Partei Die Linke hat sich fortgesetzt. Das gilt, auch wenn in Sachsen noch zwei Direktmandate errungen werden sollten.
Von Arnold Schölzel
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Besucher des Landtags betrachten auf einem Bildschirm die Hochrechnung der ARD von 19.29 Uhr.

Das FDP-Resultat war in Thüringen und Sachsen in den Nachwahlbefragungen nicht mehr messbar, Bündnis 90/Die Grünen flogen aus dem Landtag in Erfurt. Das entsprach den Vorhersagen, und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zog kurz nach Bekanntgabe der Ergebnisse eine bundespolitische Konsequenz: Man werde sich »nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen von anderen, die krachend aus den Landtagen jetzt rausgewählt worden sind.«

FDP- oder Grünen-Demut wird Kühnert nicht erhalten, deren Auftrag auf Bundesebene in Zeiten von »Kriegstüchtigkeit« und »Zeitenwende« ist noch nicht erfüllt. Klar ist aber: Diese Landtagswahlen haben Auswirkungen auf die Bundesebene. Da die nicht weniger als die kriegsbereite SPD mit einem blauen Auge davonkam, kann sie in beiden Ländern - auch das wurde in den vergangenen beiden Wochen vorhergesagt - Königsmacherin spielen. Das wird sie mit Blick auf den Kanzler, die SPD-Kanzlerkandidatur und die Bundestagswahlen tun. Die Sozialdemokraten lagen Anfang des Jahres in Umfragen in Thüringen und Sachsen noch bei weniger als fünf Prozent, überwanden die Hürde aber nun relativ problemlos.

Sie hat daher die Möglichkeit, die sonst fällige Kanzlerdebatte und die über vorgezogene Neuwahlen aufzuschieben. Das wird nach gegenwärtigem Stand auch nach dem 22. September so sein: Die SPD in Brandenburg wird voraussichtlich bei den dortigen Landtagswahlen nicht abstürzen, selbst wenn sie nicht mehr den Ministerpräsidenten stellen sollte.

Das kann sie verschmerzen, wenn das Hauptziel erreicht wird: Im Bund weiterhin mitregieren. Das haben die Ergebnisse in Thüringen und Sachsen nicht unmöglich gemacht, im Gegenteil: Sie werden offenbar Weichenstellungen für die nächste Koalition aus CDU/CSU und SPD. Das bedeutet auch: Krieg und Frieden waren in beiden Landtagswahlen nicht entscheidend - außer vermutlich bei den zweistelligen Zahlen für das BSW. Die AfD als »Friedenspartei« nahmen nicht einmal ihre Wähler ernst: Sie stimmten laut Wahlforschern zu großen Teilen aus fremdenfeindlicher Überzeugung für die Bundeswehr- und Kapitaltruppe. Jene Parteien, die wie SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU für gigantische Aufrüstung, Stationierung weitreichender US-Raketen in Deutschland und - mit Ausnahme von CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer in Sachsen - fast unbegrenzte Waffenlieferungen an Kiew stehen, erhielten zusammen jeweils etwa 40 Prozent in beiden Ländern. Das sind immerhin erheblich weniger als bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen im Herbst 2023, als zwei Drittel für Kriegsparteien stimmten.

Die Selbstauflösung der Partei Die Linke hat sich fortgesetzt. Das gilt, auch wenn in Sachsen noch zwei Direktmandate errungen werden sollten. Wer in Thüringen einen Spitzenkandidaten wie Bodo Ramelow hat, der seit zweieinhalb Jahren wiederholt Waffenlieferungen an Kiew befürwortet hat, benötigt keine gegnerische Friedenspartei. Die Behauptung des Linke-Kovorsitzenden Martin Schirdewan am Sonntag, das BSW sei »ein Geschenk für die AfD, weil die gesellschaftliche Linke und auch meine Partei vor allem darunter leiden, aber die extreme Rechte durch das BSW und seine Positionen gestärkt wird«, hat das zu Ramelow passende unterirdische Demagogieniveau.

Die zweimal rund 30 Prozent für die AfD haben umgekehrt eher damit zu tun, dass sich die Bundesspitze der Linkspartei mehr und mehr auf NATO-Positionen begab, sich die Thüringer Landesregierung stets vorrangig dem Kampf gegen die DDR widmete und Ramelow bei den Kriegsparteien anflanschte.

Historische Bedeutung hat es nicht, dass angeblich erstmals eine vom stets rechten Verfassungsschutz als »gesichert rechtsextrem« eingestufte Partei in einem Bundesland die meisten Stimmen auf sich vereinigte. CDU/CSU und FDP waren bis in die 60er Jahre hinein personelle Fortsetzungen der NSDAP unter anderen Parteinamen und mit antisowjetischen sowie Anti-DDR-Kriegsprogrammen, Antikommunismus mit sorgfältig retuschiertem Antisemitismus - von ihren Satellitenparteien wie BHE oder DP ganz abgesehen. Die AfD von heute ist ungefähr die CSU des Franz-Josef Strauß in den 70er und 80er Jahren, nicht zuletzt ein Nostalgieverein. Der Bedarf des bundesdeutschen Bürgertums an einer solchen Truppe ist konstant, zumal in Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs, zugespitzter Konkurrenz unter Arbeitern und sozialem Zerfall. Die nun gewonnene Stärke der AfD macht die Regierungsbildung in den Ländern, in denen am Sonntag gewählt wurde, etwas komplizierter als gewohnt, zum Faschismus an der Macht tendiert die deutsche Monopolbourgeoisie aber gegenwärtig nicht. Allerdings zum Krieg gegen Russland und China. Das ist größenwahnsinnig und gefährlich genug.

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