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Aus: Ausgabe vom 30.08.2024, Seite 2 / Inland
Militarisierung

»Jugendliche werden mit Technik gelockt«

Köln: »Cooles« Bundeswehr-Fest für Minderjährige zwischen 15 und 17 Jahren. Ein Gespräch mit Hans-Achim Brandt
Interview: Annuschka Eckhardt
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Die Kölner Gruppe der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, DFG-VK, kündigt Aufklärungs- und Satireaktionen gegen ein bevorstehendes Lockangebot der Bundeswehr für Jugendliche am Wochenende an. Warum braucht es Ihre Aktionen?

Wir halten es für notwendig, darauf aufmerksam zu machen, dass die Bundeswehr hier unter falscher Flagge Minderjährige wirbt, um sie zu verpflichten. Die Bundeswehr ködert Jugendliche mit folgenden Sprüchen: »Ihr seid zwischen 15 und 17 Jahren alt und bereit für das Abenteuer? Feiert mit uns die ultimative Sommerparty! Genießt coole Beats, relaxt am Pool, probiert (alkoholfreie) Cocktails und hängt entspannt in unserer Chillzone ab. Es wird ein Wochenende voller Spaß und unvergesslicher Erlebnisse!« 550 Jugendliche werden in der Kölner Lüttich-Kaserne erwartet. Und dort wird es nicht nur Streetsoccer- und Gamingturniere geben, sondern die jungen Menschen sollen mit faszinierender Technik gelockt werden. Sie bekommen Zugang zum Cockpit eines »Tornados« und zu gepanzerten Fahrzeugen.

Das in Köln ansässige Personalmanagement der Bundeswehr verspricht »packende Duelle in der Lüttich-Kaserne in Köln« für die Minderjährigen. Übung für den nächsten ­Bundeswehreinsatz?

Das ist nicht auszuschließen. Soldat ist kein Beruf wie jeder andere, denn ein Soldat muss allen Befehlen gehorchen und kann auch nicht problemlos kündigen. Armeeangehörige können in Kriegsgebieten eingesetzt werden und sollen im Ernstfall Menschen töten. Die Familien von Soldaten wissen nicht, ob und wie sie zurückkommen; traumatisiert, verstümmelt, im Sarg oder nur noch als Nachricht »vermisst«. Zu der Frage von Übungen für einen zukünftigen Krieg muss man die aktuelle Situation in ein weltpolitisches Umfeld einordnen. Alle Großmächte werden zur Zeit für einen militärischen Konflikt hochgerüstet. Deutschland als wirtschaftliche Großmacht hat offiziell das Ziel ausgegeben, militärische Führungsmacht in Europa zu werden. Ich denke, in diesem Zusammenhang sind die Diskussionen über die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Werbung von Minderjährigen für die Bundeswehr zu sehen.

Die Werbeaktion zur Militarisierung der Jugend soll ausgerwechnet am Antikriegstag, also 85 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs stattfinden. Ist das blanker Zynismus oder der verzweifelte Versuch, die Rekrutierungsziele einzuhalten?

Der Satz »Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!« als Mahnung der Überlebenden von 1945 scheint vergessen zu sein und wird aktiv aus der öffentlichen Diskussion verdrängt. Die Bundeswehr wirbt bundesweit, sei es auf Pizzakartons, der Gamescom, mit ihren Jugendoffizieren regelmäßig in Schulen und Hochschulen, ja selbst in Freibädern.

Stichwort Freibad: Mitte August hatte eine massive Plakatwerbung der Bundeswehr in einem Kölner Freibad bereits Proteste und Beschwerden bei der städtischen Köln-Bäder GmbH hervorgerufen. Was war da los?

In diesem Fall hat die Marine im Kölner Stadionbad mit großflächigen Plakaten am Zehn-Meter-Sprungturm mit dem Slogan »Karrieresprung« für sich geworben. Und nicht nur hier in Köln, sondern bundesweit in einer Reihe von ­Freibädern.

Warum ist eine mehrjährige Verpflichtung bei der Bundeswehr für Jugendliche so ­gefährlich?

In der Bundeswehr werden sie als Angehörige der Armee gedrillt, zudem werden Jugend- und Arbeitsschutzbestimmungen dort oft nicht eingehalten. Es kommt immer wieder zu gravierenden Kinderrechtsverletzungen, auch sexualisierter Gewalt und schweren Unfällen. Eine vorzeitige Kündigung ist kaum möglich.

Wie groß ist das Mobilisierungspotential gegen den Kriegskurs in Köln?

Zum 1. September erwarten wir circa 1.000 Teilnehmer an der Kölner Antikriegstagsdemonstration. Ich glaube jedoch, die Botschaft, dass Deutschland sich auf einen Krieg vorbereitet, ist bei der Bevölkerung noch nicht angekommen. Man muss dazu sagen, dass Krieg nicht nur ein Krieg an irgendeiner Front ist, sondern es ist immer auch ein Bürgerkrieg gegen die eigene Bevölkerung, beginnend mit Sozialabbau und der Einschränkung demokratischer Rechte.

Hans-Achim Brandt ist Mitglied im Sprecherkreis der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Köln

Veranstaltung:31.08.2024 von 11 - 14 Uhr, Chlodwigplatz Köln

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