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Aus: Ausgabe vom 28.08.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Automobilindustrie

Zwangsurlaub bei Audi

Standort im belgischen Vorst: Weiter Freistellung von Belegschaft. Gewerkschaft rechnet mit Massenentlassungen. Werk vermutlich vor Schließung
Von Gerrit Hoekman
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Der Konzern schweigt sich über den Abbau aus. Für Beschäftigte in Vorst gibt es bislang keine Aussichten

Eigentlich sollte die Belegschaft im Audi-Werk im belgischen Vorst bei Brüssel nach vier Wochen regulärem Betriebsurlaub am Montag wieder zur Arbeit erscheinen. Doch auf einer Betriebsversammlung am vergangenen Freitag morgen wurde ihr mitgeteilt, dass sie eine Woche bezahlten Urlaub dranhängen kann – die Bänder stehen bis zum 2. September still, wenn nicht noch länger. Mit der Freistellung für eine weitere Woche komme die Werksleitung einem drohenden Streik zuvor, vermutete die Automobilwoche am Montag.

Am Freitag versammelten sich nach Angaben der Gewerkschaften etwa 1.300 Beschäftigte in der Musikhalle »Vorst Nationaal«, um mehr zu erfahren. Die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm. Alle Arbeiter wurden am Eingang streng kontrolliert. »Wir sind keine Angestellten, sondern Terroristen«, sagte einer gegenüber dem Brüsseler Stadtmagazin Bruzz. Nur wer einen Arbeitsausweis vorweisen konnte, durfte in die Halle. Medien mussten draußen bleiben. Auch die Beschäftigten bei den Zulieferern. Das kam nicht gut an, stehen sie doch ebenfalls vor einer ungewissen Zukunft, sollte Audi das Werk schließen.

Die Veranstaltung am Freitag dauerte nur 50 Minuten. Informationswert gleich null. »Sie haben uns zusammengerufen, um uns zu besänftigen«, zeigte sich Gewerkschafter Franky De Schrijver am Freitag in der Gazet van Antwerpen überzeugt. Er vertritt seit vielen Jahren die sozialistische Gewerkschaft ABVV-FGTB im Betriebsrat. Am 9. Juli hatte die Firmenleitung bekanntgegeben, dass Audi Vorst »umstrukturiert« wird, wie es im Managerjargon heißt. Die Produktion des einzigen in Vorst hergestellten Modells »Q8 E-Tron« werde eingestellt. Für das Nachfolgemodell ist der Standort nicht mehr vorgesehen, es soll in Mexiko produziert werden.

»Die Nachfrage nach elektrischen Oberklassemodellen entwickelt sich schwächer als erwartet«, gestand Produktionsvorstand Gerd Walker vergangenen Mittwoch im Handelsblatt ein. In letzter Zeit liefen in Vorst mehr Autos vom Band, als die VW-Tochter Audi verkauft. Für die Werktätigen bedeutet das wahrscheinlich: Ende Oktober wird die Hälfte der fast 3.000 Beschäftigten entlassen, Anfang nächsten Jahres dann wohl noch einmal 1.100, sagen die Gewerkschaften voraus. Hinzu kommen vermutlich bis 1.000 Arbeiter bei den Zulieferbetrieben. Der Audi-Konzern schweigt zu den Zahlen.

»Ich habe gerade die Muppet-Show gesehen«, meinte eine Arbeiterin nach der Betriebsversammlung am Freitag gegenüber Gazet van Antwerpen sarkastisch. »Diese Männer hängen an einer Schnur und sagen nur das, was Deutschland ihnen vorgibt.« Die Direktion in Vorst wüsste wahrscheinlich selbst nicht, was die Konzernleitung in Ingolstadt plane. Die Arbeitsmoral ist jedenfalls im Keller. »Die Leute sind nicht bereit, an den Arbeitsplatz zurückzukehren, solange es keine Zukunftsperspektive gibt. Das haben sie mit Buhrufen und Pfiffen deutlich gezeigt«, sagte Gewerkschafter De Schrijver am Freitag gegenüber Het Nieuwsblad.

Die Gewerkschaften vermuten, dass das Management den Konzertsaal nur deshalb gemietet hat, weil sie eine Besetzung der Fabrik befürchteten, wenn die Versammlung dort stattgefunden hätte. »Sie wissen, dass wir das Gelände nicht verlassen, wenn wir es betreten«, sagte ein Vertreter der Wirtschaftszeitung L’Echo.

Die Belegschaft ahnte schon länger, dass es in ihrem Betrieb schlecht läuft. Seit Monaten war immer wieder Kurzarbeit angesagt. »Ich habe das Gefühl, (…) dass die Fabrik dem Tode geweiht ist«, zitierte die Gazet van Antwerpen am Freitag einen Arbeiter. Auf Hilfe der belgischen Regierung braucht die Belegschaft vermutlich nicht zu hoffen. Die Koalitionsverhandlungen in Brüssel ziehen sich wie Kaugummi. Der flämische Nationalist und Wahlsieger Bart De Wever ließ ohnehin schon durchblicken, dass er nicht vorhat, Audi Vorst mit Steuergeld zu retten, sollte er Ministerpräsident werden.

Vor einigen Wochen machte das Gerücht die Runde, ein Hersteller aus China stehe auf der Matte. Die meisten glauben nicht daran. »Die Industrie in ganz Europa steckt in der Krise und verschwindet. Warum sollte es bei uns anders sein?« sagte ein Arbeiter am Dienstag vor einer Woche gegenüber der Tageszeitung De Morgen. Auch wenn die Hoffnung schwindet, aufgeben wollen sie noch nicht: Für den 16. September ist eine große Demonstration in Brüssel geplant.

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