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Aus: Ausgabe vom 15.07.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
»Mindestfranchise« in der Schweiz

Gesund ist das nicht

Schweiz: SVP will Selbstkostenanteil bei medizinischer Versorgung erhöhen. Patienten würde dies vom Arztbesuch abhalten
Von Kim Nowak
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Wer nicht kommt, muss nicht versorgt werden: Der SVP schwebt so offenbar das Gesundheitssystem vor

Der Besuch beim Arzt soll teurer werden – so wollen es jedenfalls bürgerliche Kräfte in der Schweiz. Anders als in der Mehrheit der EU-Länder, in denen Krankenkassenbeiträge zu mehr als 70 Prozent durch Steuer- und Lohnbeiträge finanziert werden, lag der Wert in der Alpenrepublik im Jahr 2023 bei 36 Prozent. Darin ist auch ein obligatorischer Eigenanteil begriffen, die sogenannte Mindestfranchise: Aktuell liegt sie bei 300 Franken (etwa 308 Euro). Das bedeutet, dass Kassenpatienten die ersten 300 Franken einer Arztrechnung selbst tragen müssen. Erst danach übernehmen die Krankenkassen die weiteren Kosten.

Die monatlichen Beiträge an die Krankenkasse liegen bei durchschnittlich 684 Franken (etwa 702 Euro). Eine Besonderheit des Schweizer Systems ist, dass bei einigen Krankenkassen der monatliche Beitrag verringert wird, wenn dafür die Franchise erhöht wird. Im Falle einer Krankheit bedeutet das aber auch, dass der Patient die ersten Arztrechnungen gemäß dem Eigenanteil selbst bezahlen muss, was insbesondere für Arme und schlecht bezahlte Lohnabhängige ein Problem darstellt.

Nichtsdestoweniger sollen die Schweizer mehr bezahlen. So fordert Nationalrätin Diana Gutjahr von der rechten Schweizerischen Volkspartei (SVP) laut SRF eine Erhöhung der Mindestfranchise. »Ich denke, es ist jetzt angezeigt, bei der Eigenverantwortung etwas anzupacken und diese etwas zu erhöhen«, erklärte Gutjahr demnach. Seit etwa 20 Jahren liegt der Wert bei 300 Euro. Der SVP-Politikerin schweben dabei 400 Franken (etwa 411 Euro) vor. Das entspricht einer Erhöhung von 25 Prozent.

Die Rechten haben dabei vor allem eine Senkung der Kosten im Gesundheitssystem im Blick. Wird nicht gleich bei jeder Gelegenheit ein Arzt aufgesucht, könnte das Kosten sparen. Anstatt also in das Gesundheitssystem Geld zu investieren, sollen die Beitragszahler mehr Kosten tragen und sich im Zweifel von den Kosten abschrecken lassen, als zum Arzt zu gehen. Besonders gerecht geht es dabei allerdings nicht zu.

Das sehen auch die Sozialdemokraten im Nationalrat so. So betont Nationalrätin Barbara Gysi (SP), die Erhöhung werde besonders die Schwächsten der Gesellschaft treffen. Betroffen seien dann Menschen, die »chronisch krank sind, die älter sind und die eben keine hohe Franchise wählen können«, so die Sozialdemokratin laut SRF. Bereits heute würden ein Fünftel der Beitragszahler einen Arzt auf Grund der hohen Kosten nicht aufsuchen.

Ob sich die parlamentarische Linke jedoch durchsetzen wird, ist fraglich. Denn der Vorstoß zur Erhöhung der Mindestfranchise wird neben der SVP von der FDP, den Grünliberalen und der christdemokratischen »Mitte« getragen. Interessante Anekdote ist dabei, dass es gerade die rechte SVP war, die einen ähnlichen Vorstoß von 2019 in letzter Sekunde abschmetterte. Das geschah allerdings nicht aus sozialpolitischen Erwägungen, sondern aus wahltaktischen Gründen, so ein damaliger Vorwurf.

Das Thema Gesundheitskosten treibt die Alpenrepublik dabei schon länger um. Erst Anfang Juni fand eine Abstimmung zur »Prämien-Entlastungs-Initative« der SP statt. Getragen von verschiedenen Organisationen aus dem Gesundheitswesen, darunter dem Verband der Haus- und Kinderärzte und dem Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärzte, wollte die Initiative den maximalen Krankenkassenbeitrag auf zehn Prozent des Monatseinkommens deckeln.

Das Wahlvolk entschied sich allerdings dagegen: Die Vorlage wurde mit 55,47 Prozent abgelehnt. Das Ergebnis deckt sich auch mit der Selbsteinschätzung der Schweizer. Laut dem sogenannten Sorgenbarometer der von der Großbank UBS geschluckten Credit Suisse hielten nur 40 Prozent der Befragten die Beiträge für zu hoch beziehungsweise für ihre »größte Sorge«. Haben die Bürgerlichen mit ihrem Vorstoß, die Mindestfranchise zu erhöhen, Erfolg, ist nicht auszuschließen, dass dieser Prozentsatz steigen könnte.

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