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Aus: Ausgabe vom 27.04.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Arbeitskampf

Streik bei Londoner U-Bahn

Kundendienst im Ausstand gegen Ausplünderung. Labour verspricht Rückverstaatlichung der Bahn
Von Dieter Reinisch
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»Viele Stationen mussten kurzfristig geschlossen werden« (Elizabeth-Linie zwischen Abbey Wood und Paddington)

Die britische Eisenbahngewerkschaft TSSA hat am Freitag zum zweiten Mal in diesem Monat die Londoner U-Bahn bestreikt. Im Laufe des Jahres sind deren Linien auch schon an mehreren Tagen durch Streiks der Eisenbahngewerkschaft RMT zum Stillstand gekommen. Auch unter dem Eindruck der anhaltenden Arbeitskämpfe verkündete Labour am Donnerstag, im Falle eines Wahlsiegs im Herbst die britische Bahn wieder zu verstaatlichen. Seit der Privatisierung unter dem neoliberalen Labour-Chef Tony Blair in den 1990er Jahren sind die Reallöhne gesunken. Arbeitsunfälle, auch tödliche, nahmen rasant zu. Unrentable Strecken im ländlichen Raum wurden geschlossen.

Der aktuelle Streik bei der Londoner U-Bahn begann um Mitternacht in der Nacht zum Freitag. Die bei der TSSA organisierten Mitarbeiter der Kundenbetreuung traten ihre Schicht, die am Freitag zwischen 00.01 und 23.59 Uhr begann, nicht an. Dementsprechend wird auch am Sonnabend noch gestreikt. »Unsere Kundendienstmanager streiken gegen Verschlechterungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und für Arbeitsplatzsicherheit«, teilte TSSA am Freitag vormittag auf X mit: »Viele Stationen könnten kurzfristig geschlossen werden, was zu weitreichenden Störungen im Netz führen dürfte.« Eine Liste der betroffenen Stationen wurde im Laufe des Tages von der Gewerkschaft stetig aktualisiert. Am frühen Vormittag waren elf Haltestellen betroffen.

Als die TSSA-Mitglieder am 10. April in den Ausstand traten, waren die Betreiber von der hohen Teilnahme an den Kampfmaßnahmen überrascht. Viele Stationen mussten kurzfristig dichtgemacht werden.

Ab Montag werden die TSSA-Mitglieder ihren Arbeitskampf mit einem Überstundenboykott bis mindestens 5. Mai fortsetzen, was laut Gewerkschaft zu weiteren »sehr kurzfristigen Schließungen von Bahnhöfen führen wird«. Generalsekretärin Maryam Eslamdoust sagte vor Streikbeginn: »Es ist klar, dass unser Streik am 10. April erhebliche Auswirkungen hatte. Viele Stationen mussten kurzfristig geschlossen werden, und wir hatten überwältigende Unterstützung aus der Öffentlichkeit.«

Durch die Weigerung der Gegenseite, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, sei TSSA in dieser Woche zu weiteren Maßnahmen gezwungen worden, so Eslamdoust: »Wir haben deutlich gemacht, dass wir die anhaltende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, des Services und der Infrastruktur nicht akzeptieren, sondern harte Maßnahmen ergreifen werden, bis London Underground bereit ist, in gutem Glauben mit uns zu verhandeln.«

Nach fast zwei Jahren Arbeitskampf im öffentlichen Verkehr zeigen Umfragen, dass die Gewerkschaften TSSA, RMT und ASLEF weiterhin die Unterstützung der Mehrheit der britischen Bevölkerung haben.

Labour will die britischen Eisenbahnen nun im Falle eines Wahlsiegs »innerhalb von fünf Jahren wieder verstaatlichen«, wie Verkehrssprecher Louise Haigh am Donnerstag erklärte. Alles soll nach Ablauf der Verträge der privaten Eisenbahnunternehmen wieder in öffentliches Eigentum überführt und von einer neuen Behörde namens Great British Railways geführt werden. Der Plan könne umgesetzt werden, »ohne dass der Steuerzahler auch nur einen Penny an Entschädigungskosten zahlen muss«, so Haigh.

Zunächst einmal gehen die Arbeitskämpfe weiter: Am 7. und 9. Mai werden die ASLEF-Lokführer ihre Arbeit neuerlich niederlegen.

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