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Aus: Ausgabe vom 19.04.2024, Seite 11 / Feuilleton
Rock

Hard Rock mit Purzelbaum

Unsung Heroes (22): Fargo
Von Frank Schäfer
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Nach der Wiedervereinigung: Fargo

Bevor Peter Knorn mit runderneuerter Mannschaft – und neuem Bandnamen: Victory – sogar international gewisse Erfolge feiern konnte, tingelte er ein Jahrzehnt lang mit Fargo durch die Schützensäle, Gemeindehäuser und Jugendzentren der Republik. Bei Steamhammer erscheint zuletzt ein Boxset, »The Early Years«, das den Ertrag dieser Jahre wiederveröffentlicht, also die ersten vier Fargo-Alben vor ihrem langen Hiatus und der Wiedervereinigung 2016.

Die Hannoverschen Rocker standen immer ein wenig im Schatten der Lokalhelden Scorpions, Eloy und Jane. »Die haben uns oft ins Vorprogramm geholt. Manchmal war es auch eine Zweckheirat, da hat man sich einfach den Lkw geteilt. Ich habe für Frank Bornemanns Band Eloy mal ein Konzert veranstaltet, es kamen wenig Leute, und deshalb sind die nicht aufgetreten, das war eine bittere Sache, und so fühlte sich Bornemann wohl etwas schuldig. Er und Klaus Hess von Jane kamen dann irgendwann überein, dass wir im Jane-Studio ein Album einspielen sollten, vermutlich weil Bornemann versprochen hat, das Album dann an eine Plattenfirma zu verkaufen. Und so haben wir, wenn es gerade mal passte, dort aufgenommen.«

Ihr Debüt »Wishing Well« von 1979 erscheint deutlich zu spät, dafür immerhin gleich beim Major-Label EMI. Das Album macht sich, der Titel verrät es, noch einmal über den eigentlich schon ein bisschen müffelnden Heavy Blues von Free und Bad Company her, erweitert das reduktionistische Konzept aber mit ein paar Zutaten aus Funk, Southern und Westcoast Rock. Ihr Markenzeichen ist Peter Ladwigs sonore, im härteren Rockkontext eigentlich zu sanfte Stimme und die selbstbewusste Gitarrenarbeit von Ladwig und Hanno Grossmann, die sich mit der internationalen Konkurrenz ohne weiteres messen können. Fargo werden dann auch gern als Support für Hard-Rock-Bands wie AC/DC, Mother’s Finest oder April Wine gebucht. Sogar mit Motörhead stehen sie auf der Bühne.

Republikweit bekannt werden sie schließlich durch einen Bravo-Artikel, der sie als die neue Live-Sensation mit einem saltoschlagenden Bassisten vorstellt. »Es war immer schon mein Anliegen, dass was auf der Bühne passieren muss. Ich bin rumgelaufen wie ein Marathonläufer, bin auf die P.-A.-Boxen gestiegen«, ächzt Knorn, als spüre er seine alten Knochen. »Der Purzelbaum kam immer wieder zur Sprache, bei jedem Interview, bei jedem neuen Album, und so ist er bis heute haften geblieben. (...) Das war so ein Augsburger-Puppenkisten-Purzelbaum, den habe ich ausgebaut und entsprechende Fotos davon gemacht. Die waren natürlich gestellt. Ich war mit Ladwig in einem Kölner Fotostudio und hab einen ganzen Nachmittag nur Purzelbäume gemacht. Ladwig musste mir am Abend die Beine hochheben, damit ich ins Bett komme, so fertig war ich.«

Hatte ihnen beim Debüt Klaus Hess im Studio unter die Arme gegriffen, produziert Frank Bornemann im Horus Sound Studio den Nachfolger. »No Limit« (1980) klingt frischer und erneut lehnt sich das Gitarrenduo weit aus dem Fenster, überzeugt mit alerten zweistimmigen Läufen und pfeift für ein ausuferndes Talk-Box-Solo à la Peter Frampton sogar auf die Radiotauglichkeit der ansonsten ziemlich eingängigen AOR-Nummer »I’m A ­Loser«.

»Frontpage Lover« (1981) öffnet sich dann offensiver dem modernen Hard Rock, auch wenn man mit kuriosen Reggae-Parts (»A Girl Like a Trigger«), der schönen Soulballade »27 Hours a Day« und einer insgesamt vielleicht etwas zu geschliffenen Mainstreamproduktion immer noch eine deutliche Grenze zur sich langsam konsolidierenden Heavy-Metal-Gemeinde zieht. Das ändert sich mit dem Einstieg von Tommy Newton an der zweiten Leadgitarre. Das dräuende Intro ihres für lange Jahre letzten Albums »F« (1982) zeigt schon an, dass es jetzt zur Sache gehen soll. Die Band klingt druckvoller, energischer, bei »Hard Attack« sogar beinahe metallisch, nur aus Ladwig wird in diesem Leben kein Shouter mehr. »The Tide Is Turning« ist noch besser, vor allem typischer, ein feiner, lässig aus der Hüfte geschossener Riffer an der Grenze zum Hard Rock, der von ganz viel Airplay träumt – und das eigentlich auch verdient gehabt hätte.

Fargo: »The Early Years« (Steamhammer)

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