junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Donnerstag, 2. Mai 2024, Nr. 102
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 19.04.2024, Seite 2 / Inland
Staat und AfD

Prozess gegen Höcke begonnen

Sachsen-Anhalt: Thüringer AfD-Chef wegen Naziparole vor Gericht
Von Marc Bebenroth
2.jpeg
Hunderte Demonstranten fordern vor dem Justizzentrum in Halle eine Verurteilung des Rechtsaußenpolitikers (18.4.2024)

Der Thüringer AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende soll gewusst haben, dass es sich um eine strafbewehrte Nazilosung handelt: Am Donnerstag hat in Sachsen-Anhalt am Landgericht in Halle (Saale) der erste Prozess gegen Björn Höcke wegen des Gebrauchs der Parole der »Sturmabteilung« (SA) der NSDAP begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft Höcke das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vor. Er soll Ende Mai 2021 in Merseburg bei einer Wahlkampfveranstaltung am Ende seiner Rede vor rund 250 Anhängern »Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland« gesagt haben.

Vor Beginn der Verhandlung hatten sich laut Polizeiangaben bis zu 570 Menschen für eine Kundgebung gegen Höcke vor dem Gerichtsgebäude versammelt. Sie trugen Transparente, auf denen »AfD stoppen« oder »Björn Höcke ist ein Nazi« zu lesen war. Aufgerufen hatten unter anderem das liberale Bündnis »Halle gegen rechts« und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Voraussetzung dafür, um nach Paragraph 86 a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bestraft zu werden, sei, dass der Beschuldigte »das Wesen des von ihm verwendeten Kennzeichens kennt oder billigend in Kauf nimmt«, wie der frühere Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer in einer im September 2023 veröffentlichten Kolumne für Legal Tribune Online erklärt hatte. Fischer zufolge habe nun das Gericht zu entscheiden, ob die Behauptung des hessischen Oberstudienrats für Geschichte glaubhaft ist, dass ihm die Bedeutung der Parole »Alles für Deutschland« nicht bekannt gewesen sei.

Der Rechtsaußenpolitiker hatte den Vorwurf des Vorsatzes zuvor bestritten. Am Donnerstag selbst machte Höcke von seinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern. Aber für den nächsten Verhandlungstag am kommenden Dienstag stellten seine Verteidiger eine Aussage in Aussicht. Höcke sei »grundsätzlich« zu einer Einlassung bereit, sagte Anwalt Philip Müller.

Wie der MDR berichtete, verzögerte die große Zahl an Prozessbeobachtern und Medienvertretern den Beginn der Verhandlung, die dann wegen mehrerer Anträge der Verteidigung unterbrochen wurde. So forderten sie unter anderem, dass aufgrund der »historischen Relevanz« des Verfahrens eine Tonaufzeichnung angefertigt wird. Das lehnte die Kammer ab, die zudem erklärte, dass ein faires Verfahren auch ohne Mitschnitt gewährleistet sei.

Eine zweite Anklage gegen Höcke wegen Verwendung der SA-Parole bei einer AfD-Veranstaltung im thüringischen Gera war unmittelbar vor Prozessbeginn abgetrennt worden, weil die Verteidigung kurzfristig gewechselt habe und keine Gelegenheit hatte, in die Akten zum Fall in Gera Einsicht zu nehmen, wie eine Gerichtssprecherin erklärte. Im Falle einer Verurteilung drohen Höcke bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe. Ab sechs Monaten Freiheitsstrafe könnte das Landgericht ihm die Amtsfähigkeit und das aktive sowie passive Wahlrecht absprechen.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

  • Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin (18. April 2024 um 20:39 Uhr)
    Es ist gut, die Denkweise von Bernd Höcke öffentlich zu machen. Dass man ihn, ohne sich einer Beleidigung strafbar zu machen, einen Faschisten nennen darf, beweist, dass seine politische Einstufung bereits durch die Justiz festgestellt wurde. Wer jetzt allerdings glaubt, dass er für seine strafbare Äußerung mit einer Haft- oder Bewährungsstrafe belangt wird, der muss ganz tief schlafen. Höcke stellt das System des Kapitalismus nicht in Frage und damit nutzt er nur die »Freiheit«, die heute auch jeder Ex-DDR-Bürger hat. Strafbar wird das erst dann, wenn man das System in Frage stellt, und das tut Herr Höcke nicht. Deshalb haben auch Bundeswehr und Polizei in Deutschland kein Extremismusproblem, denn ein Linker geht da nicht freiwillig hin. Die rechten Vereinigungen innerhalb der Polizei und der BW sind nur »Einzelfälle«. Rechte Mörder sind Einzeltäter ohne Unterstützer, als Linker friedlich auf eine Demo zu gehen, wird in der Regel härter bestraft als ein rechter Angriff auf Demokraten. Die deutsche Justiz war und ist auf dem rechten Auge blind und rechte Juristen Teil des Systems.

Ähnliche:

  • Droht ab und an, in Richtung AfD umzufallen: Holger Stahlknecht,...
    14.02.2020

    Schwarz-blauer Klüngel

    Sachsen-Anhalt: In der Landes-CDU spitzt sich der Konflikt zwischen Gegnern und Befürwortern einer Kooperation mit der AfD zu
  • Relativieren, Wegschieben, Provozieren. Von faschistischen Verbr...
    01.10.2018

    Rolle rückwärts

    Vorabdruck. Für Alexander Gauland ist der Faschismus nur ein »Vogelschiss« auf der ansonsten schneeweißen Weste Deutschlands – über die Erinnerungs- und Geschichtspolitik der AfD
  • Soll zurück nach Templin in Brandenburg: Bundeskanzlerin Angela ...
    16.10.2015

    Rechte »fischen« in Magdeburg

    Nach Aufmärschen in Thüringen: 2.000 kommen zu AfD-Antiasyldemonstration. Oberbürgermeister verlässt nach Vorwürfen die SPD

Mehr aus: Inland