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Aus: Ausgabe vom 16.04.2024, Seite 8 / Inland
Medienpolitik in Bayern

»Dadurch wird Vielfalt im Radio zerstört«

Bayern: Anstalt für neue Medien kürzt einem der letztem freien Sender im Freistaat kurzerhand Förderung. Ein Gespräch mit Dieter Radke
Interview: Hendrik Pachinger
Studio 1 Radio Z.jpg
Frei und von der Community getragen: Sendestudio von Radio Z in Nürnberg

Die in Bayern für Medien zuständige Behörde hat dem 1987 gegründeten freien Sender Radio Z jüngst die Programmförderung gestrichen. Damit ist offenbar die Existenz des Senders bedroht. Was genau ist passiert?

Eigentlich sind wir an die BLM (Bayrische Landesanstalt für neue Medien, jW) herangetreten, nachdem sie uns die Programmförderung um 8.000 Euro gekürzt hatte. Während des Telefonats mit der Bereichsleiterin für die nichtkommerziellen Sender wurde unserer Geschäftsführerin, Syl Glawion, mitgeteilt, dass weitere 30.000 Euro eingespart werden müssten und wir damit mit einem wesentlich höheren Eigenanteil an den Sendungsverbreitungskosten rechnen müssen. Des weiteren versuchte man, die Nutzung der Frequenz 95,8 Megahertz wieder in Frage zu stellen. Wir teilen uns diese Frequenz seit vielen Jahren mit einem kommerziellen Sender, der für die BLM vermutlich lukrativer ist.

Radio Z ist Bayern letztes freies »Community Radio«. Was ist daran so erhaltenswert?

Es ist sicher kein perfekter Sender, aber sowohl durch unsere ehrenamtliche und unabhängige Arbeit, als auch durch unsere »andere« Art Radio zu machen und – ich würde fast sagen zu zelebrieren – haben wir viele Hörer gewonnen. Wenn wir wegfallen, vereinheitlicht sich ein ganzer Medienstrang noch mehr. Wir sind ein Gegenpol, an dem Demokratie und kritische Sichtweisen gelebt werden. Das ist in der heutigen Zeit und auch in der Zukunft wichtiger denn je.

Wurden Sie mittlerweile schriftlich über die Kürzung informiert?

Lediglich der stellvertretende Bereichsleiter teilte uns mit, dass bezüglich der Kosten noch Gespräche mit der Staatsregierung geführt werden müssen. Seitdem schweben wir im luftleeren Raum. Nachdem wir von seiten der BLM geblockt werden, haben wir uns an den Staatsminister für Medien (Florian Herrmann, CSU, jW) gewandt.

Die Landesanstalt sieht keine grundsätzlichen Probleme mit der Förderung, dennoch kürzt sie den Zuschuss. Herrscht genereller Sparzwang oder ist die Entscheidung aus Ihrer Sicht politisch motiviert?

Ich möchte hier niemandem etwas unterstellen, jedoch hat sich auch in Bayern die politische Lage verschärft durch einen nicht wegzuredenden Rechtsruck. Dass Einsparungen jedoch bei den »Kleinsten«, den nichtkommerziellen Sendern erfolgen sollen, ist ein absolutes No-Go. Dadurch werden Vielfalt im Radio und auch unsere Vereinsarbeit, die ja auch soziale Aspekte beinhaltet, zerstört und eine ganze Medienlandschaft vereinheitlicht. Sendungen wie »Strafzeit«, »Durchgeknallt« oder »Radio Gays« sind kaum im Radio zu finden. Für mich persönlich ist das eine gefährliche Situation.

Es ist nicht das erste Mal, dass die BLM die Gelder kürzt. Bereits im Jahr 2013 war ein Zuschuss in Höhe von 5.000 Euro gestrichen worden. Damals konnte das abgewendet werden.

Ja, auch damals hat man uns die Programmförderung versagt. Und auch damals war es eine schwierige Situation, die wir mit der Unterstützung vieler Menschen meistern konnten. Bei einem Geschäftsetat von 160.000 Euro sind Förderungen einfach auch ein wichtiger Bestandteil, aber eben in Bayern auch nicht festgeschrieben. Solche kurzfristigen Kürzungen bringen uns immer an den Rand unserer Existenz und können nur mit großem Aufwand und Engagement ausgeglichen werden.

Gibt es denn keine Alternative zur Förderung durch die BLM?

Die gibt es kaum! Die Stadt Nürnberg unterstützt uns bereits in kleinem Rahmen und die Finanzen der Kommune sind ausgereizt. Vielleicht lässt sich da noch irgend etwas erreichen, aber ich sehe hier eher geringe Chancen. Worauf wir jetzt bauen, ist, neue Mitglieder innerhalb kürzester Zeit zu werben. Wir benötigen – je nach Jahresbeitrag, den wir im Rahmen zwischen 40 und 80 Euro, je nach Verdienst freistellen – zwischen 400 und 750 neue Mitglieder. Der erste Erfolg ist da, aber das kann nur ein Anfang sein. Eine zweite Möglichkeit ist es, über Spenden kurzfristig die Gelder für dieses Jahr zu bekommen.

Dieter Radke ist Mitglied der Redaktion der Sendung »Rock in Black« beim nichtkommerziellen Community Sender Radio Z

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  • Leserbrief von Bernhard Empl aus Weilheim (17. April 2024 um 12:04 Uhr)
    Im Gespräch mit Dieter Radke von Radio Z in Nürnberg wird behauptet, dass es in Bayern nur noch einen freien Radiosender gibt. Dies ist nicht richtig! Es gibt in Bayern immer noch zwei freie Radios, neben Radio Z noch Radio Lora 92,4 in München, gegründet 1993. Wobei Radio Lora die gleichen Schwierigkeiten mit dem Land Bayern im Allgemeinen und der Bayrische Landesanstalt für neue Medien im Besonderen hat. Also die Bedrohung besteht, dass die Unterstützung gekürzt wird, was eine Einschränkung des Sendebereiches und eine Gefährdung des Sendebetriebes insgesamt zur Folge hätte. Denn obwohl alle auf ehrenamtlicher Basis arbeiten, würde das Geld sehr knapp werden und zumindest auch die Sendezeiten einschränken.

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