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Aus: Ausgabe vom 12.04.2024, Seite 6 / Ausland
Sky Shield

Schweiz mit unterm Schirm

Bundesrat genehmigt Anschluss an europäische Luftverteidigung. Schleichender NATO-Beitritt befürchtet
Von Kim Nowak
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Die traditionelle Neutralität wird immer mehr in Frage gestellt: Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd zu Besuch in Brüssel (18.3.2024)

Ein europäischer »Iron Dome« – so wird die European Sky Shield Initiative (ESSI) auch gerne genannt. Dahinter verbirgt sich ein geplantes Projekt europäischer Staaten, die gemeinsame Luftverteidigung zu verbessern. Ähnlich wie das israelische System soll Sky Shield in erster Linie Raketen und Drohnen abwehren können. Die Initiative, die auf Anregung der BRD im August 2022 ins Leben gerufen worden war, wurde am 13. Oktober 2022 von 15 Staaten unterzeichnet. Am 7. Juli 2023 unterschrieb auch die schweizerische Verteidigungsministerin Viola Amherd eine Absichtserklärung, der Initiative beizutreten. Am Mittwoch genehmigte der Bundesrat die Erklärung. Die Schweiz und Österreich, das ebenfalls die Absichtserklärung unterzeichnet hat, wären damit die ersten Beitrittskandidaten, die keine NATO-Mitglieder sind.

Kritiker sehen darin ein weiteres Aufweichen des Neutralitätsgebots. Der Bundesrat betonte jedoch auf Nachfrage, auch wenn »Sky Shield« eine stärkere Zusammenarbeit der europäischen Staaten bedeutet, sei die Neutralität nicht in Gefahr. Doch wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus? Für die Alpenrepublik stehen bessere Koordination von Ausbildung und Beschaffungsvorhaben im Zentrum sowie logistische Fragen bei der Luftverteidigung. Wie das Verteidigungsdepartement (VBS) laut der Zeitung Blick betont, sei eine Zusammenlegung der Abwehrsysteme nicht vorgesehen. Dies sei auch im Hinblick auf die Neutralität ein wichtiger Punkt. Es gehe in erster Linie um die Verteidigung der eigenen Grenzen. Eine Beistandsklausel wie bei der NATO gebe es nicht. Auch hielten sowohl die Schweiz als auch Österreich »neutralitätsrechtliche Vorbehalte« fest – unter anderem, um »Teilnahmen an militärischen Konflikten« auszuschließen, wie der SRF mitteilte.

Während Liberale und Teile der Linken den Schritt mehr oder minder gutheißen, kommt die größte Kritik vom rechten Rand – namentlich der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der rechtskonservativen Organisation »Pro Schweiz«. Die stellten sich bereits im Sommer 2023 gegen das Vorhaben und argumentieren, dass das Volk das letzte Wort haben sollte. Wenngleich der Bundesrat den Schritt genehmigte, ist der Widerstand noch nicht gebrochen. Jetzt sind die Parlamentskommissionen am Zug, um ihre Einschätzungen abzugeben. Bei Vorbehalten müsste das VBS dem Bundesrat einen neuen Vorschlag unterbreiten. Sollte es jedoch keine nennenswerten Kritikpunkte geben, wäre er verbindlich.

Inwiefern die Alpenrepublik ein Luftabwehrsystem braucht, das Drohnen und Raketen abschießt, obwohl es selbst komplett von EU-Staaten umgeben ist, bleibt fraglich. Kritiker sehen darin einen schleichenden Beitritt zur NATO. Daran ändert auch die Geschlossenheit zwischen Österreich und der Schweiz nichts. Amherd, die seit 2024 auch Bundespräsidentin ist, besuchte am Dienstag Österreich und betonte die Notwendigkeit der militärischen Zusammenarbeit zwischen den neutralen Staaten. »Sollte es einen Angriff auf die Schweiz geben, dann ist die Situation anders, dann fällt die Neutralität dahin«, sagte die Schweizerin in Anwesenheit des österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen. Dass damit auf Russland verwiesen wird, ist offensichtlich. Warum dieses aber die Schweiz mit Drohnen und Raketen angreifen sollte, wurde nicht beantwortet.

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