4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 11.04.2024, Seite 7 / Ausland
Konflikt in Osteuropa

Russland rückt vor

Ukraine: Geländegewinne im Donbass bestätigen sich. Kiew greift Marineschiff in Ostsee an
Von Reinhard Lauterbach
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Laut Kiew Zielobjekt eines erfolgreichen Sabotageakts: Die russische Korvette »Serpuchow« der Baltischen Flotte (St. Petersburg, 28.7.2017)

Die Ukraine hat einen erfolgreichen Sabotageangriff auf ein russisches Kriegsschiff der Ostseeflotte gemeldet. Das Raketenschnellboot »Serpuchow« sei im Hafen des Stützpunkts Baltijsk (bis 1945: Pillau) angegriffen und seine gesamte Bordelektronik außer Gefecht gesetzt worden. Es werde »sehr lange« dauern, bis die Schäden repariert sein könnten, behauptete der Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes GUR, Andrij Jussow, in Kiew. Er deutete an, dass die Ukraine in den Besitz der Konstruktionsunterlagen des 2015 in Dienst gestellten Schiffs gekommen sei und auf dieser Grundlage die Elektronik habe sabotieren können. Eine unabhängige Bestätigung für Jussows Darstellung gab es nicht, insbesondere in Russland war zu dem Vorfall in der Öffentlichkeit kein Wort zu hören.

Am Mittwoch behauptete die ­Ukraine außerdem, sie habe das Gelände einer Schule für Militärpiloten in Borissoglebsk im zentralrussischen Gouvernement Woronesch mit Drohnen angegriffen. Russland bestätigte den Abschuss mehrerer Drohnen, gab jedoch über mögliche Schäden nichts bekannt. Nach einigen ukrainischen Medienangaben soll nicht nur die Ausbildungsstätte, sondern auch ein damit verbundener Militärflugplatz angegriffen worden sein.

Auf der anderen Seite meldete Russland erfolgreiche Raketenangriffe auf militärische und industrielle Infrastruktur des Gegners. So sei eine Drohnenproduktionsstätte in Saporischschja in der Nacht zum Mittwoch mit einem Präzisionsschlag zerstört worden. In der Hafenstadt Mikolajiw wurde nach russischen Angaben ein Kraftwerk beschädigt, ebenso seien eine Umspannstation und Hafenanlagen in Odessa sowie der nahe gelegenen Stadt Tschornomorsk (früher: Iljitschowsk) getroffen worden. Kiew behauptete zwar, alle 20 angreifenden russischen Drohnen abgeschossen zu haben, klagte aber andererseits über Brände und Explosionen, was die Vermutung nahelegt, dass doch einige Flugkörper durchgekommen sein müssen. Am Boden intensivierte sich offenbar der Vormarsch russischer Truppen im Osten der Ukraine. Auch westliche Quellen wie der mit der Kiewer Militärführung assoziierte Telegram-Kanal deepstatemap.ua und das pentagonnahe »Institut zum Studium des Krieges« in Washington bestätigten russische Geländegewinne an praktisch allen Abschnitten der Donbassfront.

Während der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij routinemäßig seine Forderung nach mehr westlicher Raketenabwehrtechnik und mehr Artilleriemunition erneuerte, sprang ihm der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zur Seite. Er sagte auf einem Wirtschaftsforum in Spanien, es gebe in der EU bei den Mitgliedstaaten noch etwa 100 »Patriot«-Luftabwehrsysteme, er könne nicht verstehen, warum davon nicht sieben für die ­Ukraine abgezweigt werden könnten. Er kritisierte auch, dass die EU-Staaten sich inzwischen mehr für die Finanzierung des Wiederaufbaus – einschließlich der damit zu machenden Gewinne – interessierten als dafür, weitere Zerstörungen in der Ukraine zu verhindern. Parallel dazu stellte das US-Verteidigungsministerium angesichts der Blockade von Präsident Joseph Bidens 60-Milliarden-Dollar-Paket im Repräsentantenhaus die Finanzierung von Waffen für Kiew auf Kredite um. Und das US-Außenministerium kündigte die Lieferung von 5.000 »Kalaschnikow«-Sturmgewehren und einer halben Million Schuss Munition an. Die Waffen seien iranischen Ursprungs und 2021 und 2022 von der US-Marine im Arabischen Meer »beschlagnahmt« worden. Eine Reaktion aus Kiew steht noch aus. Der Ukraine fehlen nach eigenen Angaben schwere Waffen, nicht aber Sturmgewehre, zu deren Bedienung es ihr eher an Soldaten mangelt.

Im ukrainischen Parlament begann am Mittwoch die abschließende Beratung des neuen Mobilisierungsgesetzes, das die Kriterien für die Einberufung verschärft und unter anderem auch Frauen zwischen 18 und 60 Jahren der Wehrpflicht unterwirft. Die Verabschiedung ist für den heutigen Donnerstag angekündigt, kann sich aber wegen zahlreicher in letzter Minute eingereichter Änderungsanträge noch verzögern. Gestrichen wurde bereits eine Bestimmung, die Soldaten nach drei Jahren Kriegsdienst einen Rechtsanspruch auf die Entlassung aus der Armee eingeräumt hatte. Ausbleibende Ablösung von Soldaten ist einer der häufigsten Kritikpunkte in der internen ukrainischen Debatte.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (11. April 2024 um 23:04 Uhr)
    Dürfen die das (Geländegewinne machen), obwohl der Herr Kurt Campbell das verboten hat? Was machen die armen Schweine China und Nordkorea, die er dafür verantwortlich machen will (www.jungewelt.de/artikel/473088.beijing-verwahrt-sich-gegen-us-kritik-zu-russland.html)? Benennt er Washington in Canossa um und müssen dann Xi und Kim den Bußgang dorthin antreten? Werden die beiden, ohne vom Campbell-Bann befreit zu sein, in Lüttich sterben? Analogien rein zufällig zu https://www.planet-wissen.de/geschichte/mittelalter/die_salier/pwieheinrichivundcanossa100.html

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