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Aus: Ausgabe vom 11.04.2024, Seite 5 / Inland
Flüssigerdgas

LNG-Terminal genehmigt

Mukran auf Rügen: Flüssiggasanlage darf ohne Umweltverträglichkeitsprüfung in den Regelbetrieb gehen
Von Philip Tassev
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Ein »ökologischer und ökonomischer Wahnsinn«: Das LNG-Terminal im Fährhafen Sassnitz-Mukran (24.2.2024)

Nun ist es offiziell: Das Flüssigerdgasterminal im Hafen von Mukran auf der Ostseeinsel Rügen darf in Betrieb gehen. Nachdem das Umweltamt Vorpommern am Dienstag nach einem beschleunigten Verfahren die Genehmigung für den Regelbetrieb erteilt hatte, übergab am Mittwoch der Umweltminister Mecklenburg-Vorpommerns, Till Backhaus (SPD), die Genehmigung an die Betreiberfirma Regas.

Ende Februar war das erste der beiden Spezialschiffe, auf denen das Flüssiggas regasifiziert werden soll, in dem Hafen zwischen Sassnitz und Binz eingetroffen und hatte den Testbetrieb begonnen. Künftig soll hier Flüssigerdgas (LNG) angelandet, auf den beiden Schiffen umgewandelt und dann per Pipeline durch die Ostsee ins etwa 50 Kilometer entfernte Lubmin gepumpt werden, um dort in das Verteilernetz eingespeist zu werden. Das Umweltamt Vorpommern habe vor Erteilung der Genehmigung auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet, hieß es. Grund dafür sei die Wichtigkeit der Anlage für die Versorgungssicherheit der BRD. Dass die Erdgasversorgung aber auch seit dem Beginn des Wirtschaftskrieges gegen Russland zu keinem Zeitpunkt gefährdet war, hatte etwa das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung im Februar festgestellt.

Die Anlage ist nicht nur überflüssig, sondern auch ein potentielles ökologisches Desaster. Dementsprechend stößt das Terminal auf der Ferieninsel Rügen vielfach auf Ablehnung. Das stark vom Tourismus abhängige Ostseebad Binz etwa teilte auf jW-Anfrage hin mit, es werde »umgehend nach Erteilung der Genehmigung Rechtsmittel beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen. Nach Prüfung der Genehmigungsunterlagen wird die Gemeinde Binz dann einen Antrag auf sofortige Untersagung der Inbetriebnahme des LNG-Terminals in Mukran stellen und dies ausführlich begründen«. Solche Gründe könnten etwa die befürchteten Umweltschäden durch die Anlage sein. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass das Projekt schon vor der Inbetriebnahme »durch Baggerarbeiten im Greifswalder Bodden und in der Prorer Wiek massive Zerstörungen verursacht und geschützte Arten wie den Schweinswal und den Ostseehering in Bedrängnis gebracht« habe. Der Greifswalder Bodden gilt einer der wichtigsten Laichplätze des Herings in der Ostsee. Der Leiter des Fachbereichs Energie und Klimaschutz der DUH, Constantin Zerger, betonte Mittwoch gegenüber jW, dass die Voraussetzungen für das beschleunigte Verfahren überhaupt nicht gegeben seien. Weder leiste das Terminal einen »relevanten Beitrag zur Energieversorgung« noch gab es je Mangel an Erdgas. Im Gegenteil seien selbst die bereits bestehenden LNG-Terminals nicht ausgelastet. Es wurde »ökologisch im Blindflug« gehandelt, um ein »absurdes Projekt« von äußerst fragwürdigem Nutzen im Eilverfahren durchzudrücken. Er kündigte an, auch die DUH werde, ebenso wie die Gemeinde Binz, dagegen vor Gericht ziehen. Norbert Dahms, Initiator eines Bürgerbegehrens gegen das Terminal, hatte es Anfang des Jahres im Interview mit jW als »Hochrisikoanlage« bezeichnet. Die damit zusammenhängende Zunahme des Schiffsverkehrs sei »ökologischer und ökonomischer Wahnsinn«. Laut der Betreiberfirma Regas soll etwa alle drei bis vier Tage ein LNG-Tanker Mukran anlaufen, um dort seine Ladung zu löschen.

Im übrigen hatte die Gemeinde Binz im vergangenen Sommer gegen Regas eine Anzeige wegen Geldwäsche eingereicht. Die Staatsanwaltschaft in Rostock wollte allerdings damals keine Ermittlungen aufnehmen. Statt dessen erwirkte die Firma eine Verfügung gegen den Anwalt der Gemeinde, dem es gerichtlich untersagt wurde, die Behauptung zu verbreiten, Regas-Gründer Ingo Wagner habe Geld aus einem Fonds von den Cayman-Inseln – allgemein als »Steueroase« bekannt – in das Terminal fließen lassen.

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  • Leserbrief von Patrick Büttner aus Leipzig (11. April 2024 um 12:43 Uhr)
    Habeck 2016: »Mindestens muss der geplante Ausbau der Nord-Stream-Pipeline gestoppt werden. Sonst helfen wir Russland, noch mehr Gas nach Deutschland und Europa zu transportieren und seine Einnahmen zu erhöhen.« Habeck 2017 als Mitglied der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung: »Wir werden die beiden Projekte Vielzweckhafen und nationales LNG-Terminal in Brunsbüttel vorantreiben.« Habeck 2020: »Diese Pipeline spaltete Europa. Sie ist ökologisch unsinnig und überdimensioniert. Und sie ist sicherheitspolitisch falsch.« Habeck wurde schon vor langer Zeit auf das Thema angesetzt.

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