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Aus: Ausgabe vom 11.04.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Klimakrise

Überschwemmungen, Sturmfluten, Hitzewellen: Die Anzeichen für eine große Klimakrise mehren sich

Von Wolfgang Pomrehn
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Naturkatastrophen in rascher Folge: Überschwemmung in der russischen Stadt Orenburg (10.4.2024)

An Lippenbekenntnissen mangelt es nicht. Die Bundesregierung betont wie ihre Partner in der EU, mit China in Sachen Klimaschutz zusammenarbeiten zu wollen. Nötig wäre es allemal, denn Deutschland hat inzwischen das ihm gerechter Weise noch zustehende Treibhausgaskontingent ausgeschöpft (jW berichtete), und die Anzeichen für eine sich verschärfende Klimakrise sind kaum noch zu übersehen.

Doch in den internationalen Klimaverhandlungen hat es derzeit den Anschein, dass die alten Industriestaaten ihren »China-Trick« wiederholen wollen. Jahrzehntelang haben sie die Verhandlungen über schärfere Einschnitte bei den Treibhausgasemissionen mit dem Verweis auf China verzögert. Nun geht es unter anderem darum, Gelder für einen Klimafonds zu akquirieren, aus dem Anpassungsmaßnahmen wie Deiche, die Entwicklung hitzeresistenter Nutzpflanzen und ähnliches finanziert werden sollen. Über 100 Milliarden Euro jährlich wären nötig. Die westlichen Länder haben ihre Verpflichtungen bisher nicht erfüllt, sind sie nun jedoch darauf verfallen, auch von China einen Beitrag zu verlangen. Aber die UN-Klimakonvention ist in dieser Frage ziemlich eindeutig, und die Regierung in Beijing beharrt auf der besonderen Verantwortung der alten Industriestaaten, allen voran, die USA, Deutschland, Großbritannien und Russland, die für den größten Teil der bisher in der Atmosphäre angereicherten Treibhausgase verantwortlich sind. China hat dagegen 2015 einen eigenen kleinen Fonds aufgelegt, mit dem Entwicklungsländern bei der Klimaanpassung geholfen werden soll. Dem Vernehmen nach sollen EU-Klimadiplomaten Anfang dieser Woche in Beijing – in aller Bescheidenheit, für die die Europäer seit 500 Jahren in der Welt so beliebt sind – »mehr Transparenz« für diesen Fonds gefordert haben.

Unterdessen mehren sich die Anzeichen einer großen Klimakrise. Der zurückliegende März war nach Angaben des EU-Klimaprogramms Copernicus der zehnte Monat in Folge, der der jeweils wärmste seiner Art war. Seit Juli 2023 liegt die Temperatur über den jeweils ganzen Monat und den ganzen Planeten um mehr als 1,5 Grad Celsius über dem Mittelwert der Jahre 1850 bis 1900. Im März waren es 1,68 Grad. Vor sechs Jahren hatte der sogenannte Weltklimarat, IPCC, in einer Zusammenfassung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes festgestellt, dass jenseits einer langfristigen globalen Erwärmung um 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau diverse kritische Punkte überschritten werden. Zum Beispiel könnten die Eisschilde auf Grönland und in der Westantarktis dauerhaft destabilisiert werden. Europa könnte die warmen Meeresströmungen aus der Karibik verlieren, die bisher für sein ungewöhnlich mildes Klima sorgen. Im Amazonasbecken droht sich der Regenwald in eine Savanne zu verwandeln, die Zahl und Intensität schwerer Unwetter, Hitzewellen sowie Dürren wird zunehmen, und nicht zuletzt werden die tropischen Korallenriffe verschwinden.

Von einigem bekommt die Menschheit derzeit einen Vorgeschmack. Viel zu hohe Oberflächentemperaturen der Weltmeere lassen über dem Nordatlantik eine besonders heftige Hurrikansaison befürchten, wie US-amerikanische Wissenschaftler dieser Tage warnten. Außerdem setzen die hohen Wassertemperaturen den Korallenriffen massiv zu. Das Great Barrier Reef vor der australischen Ostküste erlebt derzeit zum fünften Mal innerhalb von acht Jahren ein großflächiges Ausbleichen, bei dem viele Korallentierchen absterben. Auch in anderen tropischen Meeren sind Riffe, die von großer Wichtigkeit für die Fischerei sind, betroffen.

Andernorts haben Menschen mit schweren Überschwemmungen zu kämpfen, wie im März in Indonesien, Frankreich, Uruguay und Argentinien oder aktuell in verschiedenen Regionen Russlands und Kasachstans, wo nach Angaben der britischen Zeitung Guardian von den schwersten Überschwemmungen seit 70 Jahren die Rede ist. Weltweit sind 1,8 Milliarden Menschen potentiell von Überschwemmungen oder Sturmfluten bedroht.

Zugleich wurden in den vergangenen Wochen Südostasien, West- sowie Ostafrika durch schwere Hitzewellen heimgesucht. In der malischen Stadt Kayes kletterte das Thermometer am Mittwoch voriger Woche auf 48,5 Grad Celsius, die bis dahin höchste je in Afrika im April registrierte Temperatur. Gleichzeitig sind im südlichen Afrika Millionen Menschen von Hunger bedroht. Eine außergewöhnlich starke Dürre hat die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen lassen. Simbabwe, Sambia und Malawi haben deshalb den Notstand ausgerufen. 13,6 Millionen Menschen sind nach Angaben des World Food Program akut betroffen.

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