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Aus: Ausgabe vom 08.04.2024, Seite 11 / Feuilleton
Film

Gab es Gemeinsamkeiten? Autor Wolfgang Menge wird mit einer Filmreihe geehrt

Von F.-B. Habel
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Viele gute Drehbücher – darauf eine Pfeife

Als Alfred Tetzlaff, das Familienekel aus dem Ruhrgebiet, in der letzten Folge der WDR-Serie »Ein Herz und eine Seele« vor Gericht stand, sollte er sein Geburtsdatum nennen. »10.4.24« gab er an. Genau an diesem Tag kam der Autor Wolfgang Menge in Berlin zur Welt, er starb dort 2012. Dass er sich mit dem Ekel identifizierte, stritt er ab. Und doch konnte er durch die Figur des reaktionären Kleinbürgers Ansichten wiedergeben, die ihm nicht ganz fremd waren. Wenn Menge an sich Meinungen entdeckte, die in die Kategorie »Vorurteile« gehörten, stellte er sie genüsslich aus und überwand sie gleichzeitig.

Wolfgang Menge wuchs in Hamburg auf, galt den Nazis als »Mischling«, weil seine Mutter Jüdin war. Er durfte das Abitur ablegen, musste sich aber für einige Monate in einem Arbeitslager bei Gleisbauarbeiten »bewähren«. Doch weil dringend Soldaten gebraucht wurden, wollte die Wehrmacht nicht auf ihn verzichten.

Nach dem Krieg wurde Menge Reporter, Auslandskorrespondent und lernte bald Jürgen Roland kennen, für den er zwischen 1953 und 1968 Fernsehreihen schrieb und auch einige Kinofilme verfasste. Sein Hauptmedium blieb allerdings das Fernsehen, für das er durch eine brisante Themenwahl immer wieder für Aufsehen sorgte. In »Das Millionenspiel« sah er schon 1970 den Werteverfall des Fernsehens voraus. Protesten aus Industrie und Politik war er 1973 ausgesetzt, als er in »Smog« die verheerende Wirkung einer Umweltkatastrophe ausmalte.

Die Folgen der deutschen Teilung auf die Menschen beschäftigten ihn seit den sechziger Jahren besonders. Wie entwickelten sie sich auseinander? Hatten sie sich noch viel zu sagen? Gab es trotz verschiedener Systeme Gemeinsamkeiten? Eine Reihe zum 100. Geburtstag Menges im Berliner Zeughauskino widmet sich in vier Filmen ab dem 8. April diesem Themenkomplex. Der Eröffnungsfilm »Die Dubrow-Krise« (1969) um eine Grenzverlegung erinnert thematisch an den Defa-Film »Was wäre, wenn …?« von 1960.

Menge hatte in diesen Jahren kaum Berührung mit der DDR. Nicht alles stimmte im Detail. Menge entschuldigte sich später. Leider fehlen in der Kinoreihe Filme, in denen Menge sich später kenntnisreich mit den Verwerfungen ab 1990 auseinandersetzte, etwa »Spreebogen« (1995). In der Serie »Motzki« (1993) ließ er einen Westberliner Reaktionär durch seine Schwägerin aus Bitterfeld die Wahrheit erkennen. Der Held war an die Figur des Alfred Tetzlaff angelehnt. Folgen der satirischen Sitcom »Ein Herz und eine Seele« (1973–76) werden heute nur noch mit einer Warnung ausgestrahlt. Wenn Alfred seine Frau »dusslige Kuh« oder den Bundeskanzler ein »Arschloch« nennt, könnte das empfindliche Gemüter verwirren. Nicht das Schlechteste.

In der Reihe »Deutsch-deutsche Geschichten« veranstaltet das Berliner Zeughaus-Kino ab dem 8. April eine kleine Hommage an Wolfgang Menge mit mehreren Filmen und Gesprächen.

www.dhm.de/zeughauskino/filmreihe/deutsch-deutsche-geschichten

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