4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 05.04.2024, Seite 1 / Titel
Bundeswehr

Generalstab wieder da

Endlich »kriegstüchtig«. Verteidigungsminister stellt »Bundeswehr der Zeitenwende« vor. Kernpunkt: Zentrales Führungskommando wird gebildet
Von Arnold Schölzel
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Immer den Stab in der Hand behalten: Boris Pistorius am 27. März im sächsischen Bernsdorf-Straßgräbchen, geplanter Standort eines neuen Logistikbataillons der Bundeswehr

Seit Donnerstag hat die deutsche Armee wieder einen echten Generalstab – er darf allerdings immer noch nicht so heißen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verkündete auf einer Pressekonferenz in Berlin, die »Bundeswehr der Zeitenwende« erhalte ein »Operatives Führungskommando der Bundeswehr« (OpFüKdoBw). In ihm werden die bisherigen beiden zentralen Einrichtungen für Kriegführung im Inland (Territoriales Führungskommando der Bundeswehr in Berlin-Wedding, im Dienst sei 1. Oktober 2022) und im Ausland (Einsatzführungskommando in Geltow bei Potsdam, im Dienst seit 1. Juli 2001) verschmolzen. Damit werde »die einheitliche Führung in allen Einsätzen der Bundeswehr garantiert«. Für nationale und internationale Partner gebe es damit »eine zentrale Ansprechstelle«.

1945 hatte die Potsdamer Konferenz der Antihitlerkoalition festgehalten, es seien »alle Land-, See- und Luftstreitkräfte Deutschlands, SS, SA, SD und Gestapo mit allen ihren Organisationen, Stäben und Ämtern, einschließlich des Generalstabes (…) völlig und endgültig aufgelöst, um damit für immer der Wiedergeburt oder Wiederaufrichtung des deutschen Militarismus und Nazismus vorzubeugen.« Knapp zehn Jahre später war der Generalstab mit Wehrmachtspersonal als »Führungsstab« in der BRD wieder da, allerdings unter Aufsicht der Westalliierten. In der NVA der DDR wurde ein »Hauptstab« eingerichtet, in der Sowjetunion existierte, in Russland und in zahlreichen anderen Staaten existieren Generalstäbe. Mit der Pistorius-Reform macht die Bundesrepublik einen weiteren Schritt hin zu militärischer Souveränität. Die neue Struktur soll ihm zufolge der »neuen alten Herausforderung« Landes- und Bündnisverteidigung gerecht werden: »Niemand soll auf die Idee kommen, NATO-Territorium anzugreifen.«

Die Reform umfasst zwei weitere Punkte: Die Bundeswehr besteht zukünftig aus vier Teilstreitkräften – Land, See, Luft/Weltraum ­sowie ­Cyber/Informationsraum (CIR). CIR soll laut Pistorius »hybride Bedrohungen« analysieren sowie »Aufklärung im Feld« und elektronische Kampfführung gewährleisten. In diesem Punkt hatten sich russische Streitkräfte im vergangenen Jahrzehnt mehrfach westlichen Einheiten überlegen gezeigt. Außerdem erhält die Bundeswehr ein »Unterstützungskommando«, das allen Teilstreitkräften zuarbeiten soll.

Die »richtungsweisende Reform«, so Pistorius, sei »nicht angelegt darauf, in großem Stil Dienstposten einzusparen und zu verlagern, sondern die Strukturen zu verbessern.« Es bleibe zunächst beim Ziel von 203.000 Soldatinnen und Soldaten. Der Minister hob hervor: »Wir haben mitgedacht, dass es zu einer Wiedereinführung der Wehrpflicht kommt.« Er rechne damit, dass noch im April eine Übersicht über mögliche Modelle vorgelegt werde. Dann begännen die politischen Verhandlungen. Pistorius hatte eine Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht angestoßen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich skeptisch, ­Finanzminister Christian Lindner (FDP) ablehnend geäußert. Auf Nachfragen erklärte Pistorius am Donnerstag: Die Wehrverwaltungen seien so aufzustellen, »dass die Wehrpflicht im Kriegsfall sofort umgesetzt« werden kann. Er sei zudem »sehr zufrieden« mit der Geschwindigkeit, mit der jetzt Militärmaterial beschafft werde. In diesem Jahr würden wahrscheinlich mehr als 100 Beschaffungsvorlagen in den Bundestag eingebracht (2023 eine). Für den Militärhaushalt 2025 verlangte ­Pistorius 6,5 Milliarden Euro mehr.

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  • Leserbrief von Gerhard Oberkofler aus Wien (5. April 2024 um 14:44 Uhr)
    Die deutsche Regierung lässt deutsche Geschichte lebendig werden. 1933 (17.Mai) dankte der damalige deutsche Bundeskanzler – pardon, Reichskanzler – der US-Regierung von Franklin D. Roosevelt. Auch Deutschland sei bereit, »sich an diesem Werke der Inordnungbringung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Welt uneigennützig zu beteiligen«. Die deutsche Regierung sei überzeugt, »dass es heute nur eine große Aufgabe geben kann: den Frieden der Welt zu sichern«. Am 16. März 1936 hat die damalige deutsche Regierung ganz in diesem Geiste das »deutsche Friedensheer« neu gegliedert. Als dessen vornehmlichste Aufgabe wurde definiert, »die deutschen Grenzen gegen Angriffe von außen zu schützen«. Deutschland will nur »Arbeit und Frieden«, so der Titel einer in Berlin hg. Broschüre (1933), deren Lektüre Alpträume über die Perspektiven der deutschen Gegenwart verursacht.

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