4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 04.04.2024, Seite 4 / Inland
Sanktionspolitik

Birkenholz bremst Uran aus

Rostock: Ermittlungen gegen Kapitän von festgesetztem Frachter
Von Kristian Stemmler
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Der festgesetzte Frachter am Dienstag im Rostocker Überseehafen

Uran, Birkenholz und ein von den Zollbehörden festgesetzter Frachter: Im Rostocker Überseehafen entfaltet sich in diesen Tagen ein interessanter Anwendungsfall der EU-Sanktionspolitik gegen Russland. Am Mittwoch wurde bekannt, dass sich in den Fall nun auch die Rostocker Staatsanwaltschaft eingeschaltet hat. »Die Ermittlungen laufen gegen den Kapitän des Frachters wegen eines Anfangsverdachts des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz«, sagte eine Sprecherin.

Der unter der Flagge der Marshallinseln fahrende Frachter einer kanadischen Reederei wurde auf dem Weg von Russland in die USA bei einem außerplanmäßigen Reparaturstopp in Rostock an die Kette gelegt – aber nicht etwa, weil er angereichertes Uran für Atomkraftwerke in den USA an Bord hat. Das russische Uran steht nicht auf der Sanktionsliste der EU. Stein des Anstoßes sind in diesem Fall die 251 Container mit russischem Birkensperrholz an Bord – das Holz steht auf der Sanktionsliste, nicht aber auf der der USA. Die Staatsanwaltschaft will auch prüfen, ob das Schiff wirklich nur wegen einer Notlage den Rostocker Hafen angelaufen hat.

»Aufgrund an Bord befindlicher, durch die EU sanktionierter Güter hat das Schiff vom Zoll eine Festhalteverfügung erhalten«, erklärte das Rostocker Hafen- und Seemannsamt der Nachrichtenagentur dpa. Und das Hauptzollamt Stralsund wies darauf hin, dass die Schiffsladung, wie alle in die EU verbrachten Waren, der zollamtlichen Überwachung unterliege. In diesem Rahmen werde insbesondere die Einhaltung der Beschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs, also unter anderem auch die Befolgung der Sanktionen gegenüber Russland, geprüft.

Die kanadische Reederei, die CISN Shipping Group, hat sich unterdessen zu Wort gemeldet. Ein Sprecher erklärte gegenüber dpa, die Reederei und ihre Tochtergesellschaften, darunter die US-Firma ARRC Line, der der Frachter gehört, legten großen Wert auf die strenge Einhaltung der Gesetze. Das umfasse auch die Sanktionsgesetze von Kanada, den USA, der EU und Großbritanniens. Man arbeite eng mit den deutschen Behörden zusammen, damit der Frachter seine Fahrt in die USA so bald wie möglich fortsetzen kann.

Der Reedereisprecher wies darauf hin, dass das Unternehmen als einziger Transporteur von Seefracht »für den sicheren Transport von Gütern der Klasse 7 wie Kobalt 60 und schwach angereichertes Uran« auf der Transatlantikroute zwischen Russland und den Vereinigten Staaten zugelassen sei. Der Betrieb des ARRC-Line-Transatlantik-Dienstes durch CISN sei ein wesentlicher Bestandteil der Lieferkette für diese Güter, die für die Bereitstellung von Gesundheitsdienstleistungen, die Lebensmittelsicherheit sowie die Energiesicherheit in Nordamerika und Europa von entscheidender Bedeutung seien, tönte der Sprecher. Jetzt allerdings verheddert man sich offensichtlich in der eigenen Sanktionspraxis.

Eigentlich sollte das aus St. Petersburg kommende Schiff den Rostocker Hafen gar nicht anlaufen. Nach einem technischen Schaden lief es am 4. März Rostock ab. Dort stieß der deutsche Zoll auf das Birkensperrholz und untersagte die Weiterfahrt, indem er eine sogenannte Festhalteverfügung aussprach. Das technische Problem soll inzwischen behoben sein.

Nicht eingeführt werden dürfen in die EU nach aktuellem Stand etwa russischer Stahl, Stahlerzeugnisse und Eisen, Gold, Diamanten, Schmuck, Zement, Asphalt, Holz, Papier, synthetischer Kautschuk und Kunststoffe. In einzelnen Branchen und Segmenten laufen die Geschäfte aber weiter. So braucht Frankreich zum Beispiel Uran für seine Atomkraftwerke. Und auch die USA erhalten weiter angereichertes Uran aus Russland. Und dort will man, anders als in der sanktionspolitisch übereifrigen EU, offensichtlich auch nicht auf Holz aus den russischen Wäldern verzichten.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (4. April 2024 um 09:41 Uhr)
    Was hat der deutsche Zoll mit Waren zu tun, die sich auf einem Schiff im Freihafen also außerhalb der deutschen Zuständigkeit befinden? Dies Birkenholz sollte und wurde nicht in die BRD eingeführt. Werden demnächst Schiffe auf hoher See, die Waren, die in der BRD nicht eingeführt werden dürfen, gekapert nur, weil sie an der BRD vorbeifahren? Irgendwie seltsam, diese Geschichte.
    • Leserbrief von Jobst Freese aus Hamburg (5. April 2024 um 23:12 Uhr)
      Das Schiff befindet sich nicht »außerhalb der deutschen Zuständigkeit«. Rostock hat keinen Freihafen. Die einzigen noch verbliebenen deutschen Freihäfen sind in Bremerhaven und Cuxhaven.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Michael M. aus Berlin (5. April 2024 um 07:46 Uhr)
      Die BRD ist die größte BRD der Welt ... Kapiert?
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (4. April 2024 um 23:33 Uhr)
      Keine Sorge, Gabriel T., Uncle Sam wird dem Hauptzollamt Stralsund spätestens dann auf die Finger klopfen und klarstellen, wer welche Sanktionen sanktionieren darf und wer nicht, wenn er das Uran braucht.

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