Elitäre Notenbildung
Von Gudrun GieseDie Berliner Senatsverwaltung für Bildung will den Zugang zu den Gymnasien erschweren. Daran übt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin Kritik. Die Ende Februar von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) vorgelegten Pläne sehen unter anderem eine Durchschnittsnote von 2,3 in den Fächern Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache im zweiten Halbjahr der fünften und im ersten Halbjahr der sechsten Klasse als Voraussetzung für den Wechsel auf ein Gymnasium vor. Wer einen schlechteren Notenschnitt vorweist, soll die Eignung für die weiterführende Schule nachweisen müssen. Wer es ans Gymnasium geschafft hat, muss immerhin kein Probejahr in Klassenstufe sieben mehr durchlaufen.
Die GEW Berlin kritisiert die Pläne, weil das neue Verfahren den Bildungserfolg stärker mit der familiären Situation der Kinder verknüpfe, wie der Vorsitzende der Gewerkschaft, Tom Erdmann, am Mittwoch sagte. »Bildungsgerechtigkeit und flächendeckende Inklusion sollten als Ziele an vorderster Stelle stehen.« Daran müsse der Senat arbeiten. Wichtiger als ein stärkeres Aussieben unter den Grundschülern wäre ihre individuelle Förderung. Auf die Konsequenzen des neuen Verfahrens machte Nuri Kiefer, Vorsitzender der Vereinigung der Schulleitungen in der GEW Berlin, aufmerksam. »Durch die Neuregelung werden vor allem die Gymnasien entlastet. Die Integrierten Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen müssen dann deutlich mehr Schüler*innen aufnehmen, obwohl viele schon aus allen Nähten platzen.« Die Personallage sei hier ohnehin angespannt.
Kiefer hält das Zugangsverfahren auch inhaltlich für verkehrt. Würden vor allem die Noten in Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache über den Bildungsweg entscheiden, blieben Natur- und Gesellschaftskunde, Musik und Sport unberücksichtigt. Das sei eine fehlende Wertschätzung gegenüber diesen in sechs Jahren Grundschule unterrichteten Fächern. »Hier offenbart sich ein rückwärtsgewandtes Bildungsverständnis«, urteilte Karin Petzold, Leiterin des Vorstandsbereichs Schule in der GEW Berlin. Eine Verengung auf drei Fächer lasse viele Fähigkeiten der Kinder außen vor. Das stehe im Widerspruch zu einem ganzheitlichen Ansatz. »Vor allem für Kinder, die Deutsch nicht als Erstsprache sprechen, kann sich die vorgesehene Sprachbetonung nachteilig auswirken«, befürchtet sie. Statt weniger sollten mehr Kompetenzen berücksichtigt werden. Immerhin neun der 16 Bundesländer bezögen neben den Noten weitere Faktoren in ihre Empfehlungen für den Gymnasialbesuch ein. Statt den Weg der Verschärfung bei den Zugangskriterien zu wählen, sollte Berlin sich an diesen Bundesländern orientieren.
Längst überfällig sei die Abschaffung des Probejahres an den Gymnasien, unterstreicht die Gewerkschaft. »Kaum ein anderes Bundesland hat solche Regelungen, die für die Kinder, ihre Familien und auch das Schulpersonal eine Belastung darstellen«, so Lydia Puschnerus, Koleiterin des GEW-Vorstandsbereichs Schule. Ebenso sollten die Probezeiten in der fünften Jahrgangsstufe sowie bei einem Schulwechsel abgeschafft werden. Dass nun Schüler ohne Gymnasialempfehlung ihre Eignung in einem Probeunterricht beweisen müssten, sei problematisch. Eine Testung »in einem für Kinder fremden Kontext« könne kaum Aufschluss über ihre Kompetenzen liefern. Derzeit bestünden zwei Drittel der Kinder ohne Gymnasialempfehlung das Probejahr. Der einen oder zwei Tage dauernde Probeunterricht liefere keine adäquaten Ergebnisse. Die Bildungsverwaltung sollte ihre Hausaufgaben wohl gründlich überarbeiten.
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