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Aus: Ausgabe vom 19.03.2024, Seite 5 / Inland
US-Elektroautobauer

Fehlkonstruktion »Gigafactory«

Tesla: Diskussion um Sicherheitskonzept in Grünheide. Cybertruck kaum straßentauglich
Von Oliver Rast
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Vorwurf von Umweltaktivisten: »Chemieanlage« im Trinkwasserschutzgebiet ohne doppeltes Stromnetz

Einfach hat er es wirklich nicht: Tesla-Boss Elon Musk. Anfällig wirkt er, gleich doppelt. Zuerst standen die Bänder seiner Fabrik in Grünheide nach einem Brandanschlag auf einen Hochspannungsmast in der Nähe des Werks still, tagelang. Offenbar ist der »Gigafactory« leicht der Saft abzudrehen. Und dann bringt der Multimilliardär mit »rechter Schlagseite« einen Fahrzeugtypen ins Spiel, der nur bedingt straßentauglich zu sein scheint. Jedenfalls für Asphalt und Kopfsteinpflaster hierzulande.

Beim »Galaauftritt« am vergangenen Mittwoch in Grünheide soll Musk angekündigt haben, der Tesla-Truck »Semi« werde künftig in der »Gigafactory« gebaut, so das Handelsblatt am Wochenende. Das gehe aus dem Videomitschnitt der Musk-Rede vor der Belegschaft hervor. Der Tesla-CEO erwähnte demnach auf Nachfrage, dass der Bau des elektrischen Sattelschleppers in Grünheide »sinnvoll« sei, hieß es am Montag ferner auf dem Portal »Teslamag.de«. Der elektrische Lastwagen wird derzeit in Nevada entwickelt und in kleiner Stückzahl gefertigt.

Nur, offen ist, ob dieser futuristisch designte Lkw für hiesige Straßen überhaupt zulassungsfähig ist. Mit seiner langen »Schnauze«, seinem engen Führerhaus und nicht zuletzt der dreiachsigen Sattelzugmaschine, die nicht zu europäisch genormten Aufliegern passt. Mehr noch, allein die Batterie des »Cybertrucks« soll fünf Tonnen wiegen, sagte ein Umweltaktivist am Montag zu jW. Das sei ein Fünftel der zulässigen Nutzlast von 25 Tonnen. Ein Monstrum mit »fettem ökologischen Fußabdruck«.

Akuter als die Frage neuer Fabrikate dürfte das Sicherheitskonzept der »Gigafactory« sein. Nach jW-Informationen kam dazu Mitte vergangener Woche die Ende 2019 gebildete Tesla-Taskforce zusammen. Neben Vertretern des US-Elektroautobauers und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auch Ressortchefs von Ministerien, Beteiligte aus der Kommune und dem Landkreis. Hauptpunkt: die sichere Versorgung mit Elektrizität. Störfallrelevante Betriebe wie die Tesla-Fabrik – Kritiker sprechen lieber von der »Chemieanlage« in Grünheide – benötigen eine sogenannte redundante Stromversorgung; sprich zwei unabhängige Anschlüsse aus verschiedenen Netzen, damit im Störfall die Betreiber »hin-und-her-switchen« können.

Gretchenfrage: Verfügt die »Gigafactory« über eine solche Redundanz? Zunächst folgendes: »Das Werk wird nach Angaben der Planer über zwei Versorgungsleitungen aus unterschiedlichen Netzbereichen (…) versorgt. Damit soll sichergestellt werden, dass eine unterbrechungsfreie Stromversorgung für die Betriebseinheiten verfügbar ist.« Ein Zitat aus einem Dokument der Öffentlichkeitsbeteiligung rund um das Genehmigungsverfahren aus dem Jahr 2021, das jW vorliegt. Nun, Betriebsleiter Heiko Steinmetz meinte am Dienstag vor einer Woche gegenüber dpa, dass die Stromversorgung doppelt gesichert sei, zu »100 Prozent«. Das Problem: Beim Brand des Strommastes seien offensichtlich beide Zuleitungen gekappt worden. Michael Ganschow hat da so seine Bedenken. Auch aktuell gebe es keine Redundanz, vermutet der Geschäftsführer der Grünen Liga Brandenburg am Montag im jW-Gespräch. Deshalb hätte die Inbetriebnahme der »Gigafactory« weder zugelassen noch genehmigt werden dürfen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (18. März 2024 um 22:32 Uhr)
    »Doppelt gesichert« heißt bei mir 200 Prozent, besser 201 Prozent. Ein »single point of failure« sind auch zwei Leitungen, die durch die gleiche Ursache zur gleichen Zeit ausfallen können. Nun, ein Doppelkorn hat auch nur 38 Prozent.