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Aus: Ausgabe vom 13.03.2024, Seite 7 / Ausland
Vetternwirtschaft

Das alte System lebt

Spanien: Rechte Volkspartei (PP) und sozialdemokratische PSOE in Korruptionsaffären verstrickt
Von Carmela Negrete
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Sieht sich plötzlich von der Justiz verfolgt: Berater Koldo García (Madrid, o. D.)

Am Dienstag wurde bekannt, dass der Partner der Regierungspräsidentin der spanischen Hauptstadtregion Madrid wegen Steuerhinterziehung von rund 350.000 Euro von der lokalen Staatsanwaltschaft angeklagt wird. RTVE berichtete, dass die Firma Maxwell Cremona Ingeniería y Procesos Sociedad para el Fomento del Medioambiente S. L., an der Isabel Díaz Ayusos Lebensgefährte Alberto González Amador beteiligt war, erfundene Rechnungen für nicht existierende Leistungen präsentiert haben soll, um so weniger Steuern zu zahlen. Ayuso sieht sich als Opfer einer »Kampagne gegen mich, die schon fünf Jahre andauert«, wie die Politikerin der rechten Volkspartei (PP) vor der Presse in Ma­drid erklärte.

Damit spielte sie auf Korruptionsfälle innerhalb ihrer eigenen Familie an: »Erst war es mein verstorbener Vater«, so Ayuso, »dann mein Bruder.« Alles nur eine Kampagne? Ayusos Bruder Tomás Díaz Ayuso hatte während der Coronapandemie rund 283.000 Euro in Kommissionen für den An- und Verkauf von medizinischem Material für die Region erhalten, deren Präsidentin bereits Isabel Díaz Ayuso war. Die Firma, die Verträge im Wert von rund 1,5 Millionen Euro für die Beschaffung von Masken erhielt, gehört laut Berichten von El Plural einem Freund der Familie Ayuso.

Doch nun treffen Korruptionsvorwürfe auch die regierende sogenannte Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE). Es begann mit Anschuldigungen gegen einen Mitarbeiter des früheren Verkehrsministers José Luis Ábalos. Der Berater Koldo García steht unter Verdacht, sich selbst sowie Familienangehörige in der Coronazeit durch Maskendeals bereichert zu haben. Daraufhin bat die PSOE Ábalos, sein Abgeordnetenmandat abzugeben. Statt dessen verließ er die parlamentarische Gruppe, da er sich ungerecht behandelt sah.

Garcías Frau und Bruder sollen zusammen mit vier andere Verdächtigen illegale Kommissionen von bis zu 10 Prozent des Preises für Masken in Höhe von rund 53 Millionen Euro einkassiert haben, so das Gericht Audiencia Nacional. Seine Frau arbeitete als Sekretärin im Verkehrsministerium von Ábalos, der auch innerhalb der PSOE wichtige Posten bekleidete und als rechte Hand von Premierminister Pedro Sánchez gilt. Er war Sekretär für Organisation der Partei zwischen 2017 und 2021. Garcías Frau soll nach den Deals drei Wohnungen am Meer ohne Hypothek gekauft haben, was auch in den Prozessakten erwähnt wird.

Es gibt immer faule Äpfel, es reicht, sich rechtzeitig von ihnen zu distanzieren, mag man in der PSOE denken. Das Problem aber ist, dass die Frau von Ministerpräsident Pedro Sánchez, Begoña Gómez, möglicherweise selbst in einen weiteren Skandal verwickelt ist. Denn Gómez, die an der Universität Marketing unterrichtet, arbeitete offenbar als Fundraiserin für NGOs und andere Organisationen, die mit ihrer Hilfe an öffentliche Gelder gekommen sein sollen. So wird es jedenfalls in mehreren Medien des rechten Spektrums dargestellt. Noch gibt es jedoch keine offizielle Anschuldigung gegen Sánchez’ Frau. Die rechte Zeitung Hispanidad berichtete am Montag, dass die PP sie angeblich als Zeugin vor einen Untersuchungsausschuss rufen will. Auch wenn Sánchez und seine Frau diesen Skandal überleben, schadet dies der Stabilität der Regierung.

»Bedauerlicherweise erleben wir weiter, was wir aus der Zeit des Zweiparteiensystems gewohnt sind: dass es beinahe täglich Korruptionsfälle gibt, die eine oder beide Parteien betreffen«, erklärte der Parlamentssprecher der linken Oppositionspartei Podemos, Pablo Fernández, am 2. März in der Sendung »El Tablero« des Senders Canal Red. »Wir sehen darin den Höhepunkt des Zweiparteiensystems, eine strukturelle Korruption.« Podemos-Generalsekretärin Ione Belarra hatte sich schon am 23. Februar in gleicher Richtung vor der Presse geäußert: »Wir als Partei wurden geboren, um gegen das Zweiparteiensystem und die weitverbreitete Korruption im gesamten Staat anzutreten.«

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