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Aus: Ausgabe vom 11.03.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Energieversorgung

Heftige Atomdebatte in Australien

Opposition fordert Kernenergie trotz horrender Kosten. Hälfte der Bevölkerung befürwortet Vorstoß
Von Thomas Berger
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Die Konservativen wollen AKW dort bauen, wo bestehende Kohlekraftwerke vom Netz gehen

Seit Monaten wird in Australien intensiv über die Kernenergie gestritten. Die konservative Opposition will die Bestrebungen, auch im größten Industrieland der südlichen Hemisphäre endlich zu einem deutlichen Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energieträger zu kommen, mit der Atomkarte verhindern. Nun hat Oppositionsführer Peter Dutton mit einem Vorschlag für Schlagzeilen gesorgt. Man müsse bei der Standortsuche für künftige Atomkraftwerke nicht bei null anfangen, erklärte der Frontmann der Liberal Party vergangene Woche. Vielmehr könnten sie einfach dort gebaut werden, wo ohnehin bestehende Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Wenn dann ein Reaktor dort stehe, könne man gleich die bestehenden Leitungssysteme nutzen und so Kosten sparen, so Dutton. Australien betreibt selbst keine AKW, ist aber über den Uranabbau seit Jahrzehnten am Atomgeschäft beteiligt: Ein Drittel der weltweiten Uranreserven lagert in Down Under.

Nach einem Bericht des öffentlich-rechtlichen Senders ABC kämen für die nun vorgestellten Atompläne der Konservativen acht Standorte von Kohlekraftwerken in Frage, die in den nächsten zwei Jahrzehnten abgeschaltet werden sollen. Ab 2025 stünde Eraring im Hunter Valley (nördlich von Sydney im Bundesstaat New South Wales) zur Verfügung, 2033 das nicht weit entfernte Bayswater. In Victoria soll 2028 das Kohlekraftwerk Yallourn geschlossen werden, in Westaustralien 2027 und 2029 die Standorte Collie und Muja. Komplettiert wird die Liste durch Gladstone und Tarong im nordöstlich gelegenen Queensland, die noch bis 2035 bzw. 2037 mit Kohle betrieben werden. Hinzu kommt das bereits im vergangenen Jahr stillgelegte Kohlekraftwerk Liddell.

Schon während ihrer Regierungszeit hatten die Konservativen größere Investitionen in die Nutzung von Wind- und Solarenergie zugunsten von Atomphantasien verhindert. Allerdings planten sie damals noch »kleine« Reaktoren. Inzwischen können sie sich auch große Reaktoren an weniger Standorten vorstellen. Im September hatte die Labor-Regierung des sozialdemokratischen Premiers Anthony Albanese ausrechnen lassen, was solche Atompläne kosten würden. Das Ergebnis: stolze 387 Milliarden australische Dollar (etwa 230 Milliarden Euro).

Die Studie zeigte auch, dass die Grundkosten der Atomoption im Jahr 2030 bei gut 18.000 australischen Dollar pro Kilowatt liegen würden, gegenüber 1.000 Dollar pro Kilowatt für große Solarparks und knapp 2.000 Dollar für Onshore-Windkraft. Auch eine im Dezember vorgestellte Untersuchung der nationalen Wissenschaftsagentur CSIRO bescheinigte der Kernenergie, bei allen Gedankenspielen zur künftigen klimafreundlichen Energieerzeugung die teuerste Variante zu sein. Mit Wind und Sonne käme man deutlich billiger weg. Das gelte, so CSIRO, nicht nur auf der Basis heutiger Preise, sondern auch mit Prognosen für 2030.

Im Falle eines Machtwechsels dürften die Konservativen ihre Pläne dennoch umsetzen, wobei sie zunächst das bestehende Verbot der Kernenergienutzung aufheben müssten. Etwa die Hälfte der australischen Bevölkerung befürwortet einen Umstieg auf Atomkraft, wobei das Argument der vermeintlichen »Klimafreundlichkeit« im Vordergrund steht. Vor dem Hintergrund der laufenden gigantischen Aufrüstung des Landes dürften einige Politiker aber auch die militärischen Aspekte der Kernenergie im Auge haben.

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