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Aus: Ausgabe vom 11.03.2024, Seite 8 / Inland
Tesla-Werk in Grünheide

»E-Mobilität ist eine Scheinlösung«

Brandenburg: Waldbesetzer fordern auch nach Angriff auf Strommast Stopp von Tesla-Erweiterung. Ein Gespräch mit Annika Fuchs
Interview: Henning von Stoltzenberg
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Will oben bleiben: Aktivist der Initiative »Tesla stoppen« unter einem Baumhaus (Grünheide, 6.3.2024)

Seit dem Brandanschlag auf einen Hochspannungsmast in Brandenburg am vorigen Dienstag, durch den die Tesla-Gigafactory in Grünheide und umliegende Ortschaften von der Stromversorgung abgeschnitten wurden, suchen Polizei und Medien nach den mutmaßlich linken Tätern. Überdeckt diese Entwicklung das Anliegen der Waldbesetzung und des Protestcamps gegen die geplante Tesla-Erweiterung?

Wir sehen weiterhin ein starkes öffentliches Interesse an den Anliegen der Waldbesetzung und breite Unterstützung für die vielfältige Protestbewegung. Viele Menschen sind gegen den Ausbau der Gigafactory in Grünheide. Diese liegt mitten in einem Trinkwasserschutzgebiet und würde die Abholzung von 100 Hektar Wald bedeuten. Deshalb ist Robin Wood als einer von unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren vor Ort und Mitglied des Bündnisses »Tesla den Hahn abdrehen«.

Sehen Sie Versuche, Ihren Protest zu delegitimieren?

An dem Morgen, als der Stromausfall bei Tesla und in umliegenden Gemeinden bekanntwurde, schossen unmittelbar danach wilde Spekulationen ins Kraut. Versuche, die Protestbewegung gegen Tesla zu delegitimieren, sind durchsichtig. Alle Beteiligten der Waldbesetzung haben dies schnell erkannt und die Legitimität ihres Protests deutlich gemacht. Tesla hat in Grünheide erst 2022 den ersten Produktionsstandort in Europa eröffnet. Nun möchte das US-Unternehmen bereits eine Erweiterung der Fabrik vornehmen. Das soll eine Verdopplung der Produktionskapazitäten bringen, so dass in Brandenburg pro Jahr eine Million E-Fahrzeuge vom Band rollen können.

Die Demo »Tesla – Nein danke« am 3. März hat noch einmal gezeigt, dass der Tesla-Ausbau vor Ort unerwünscht und gefährlich für die lokale Trinkwasserversorgung ist. Denn Tesla ist mit jährlich 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser einer der größten Verbraucher des durch Hitzesommer in Brandenburg knapp gewordenen Wassers. Für Privathaushalte wird das Trinkwasser durch den lokalen Wasserverband Strausberg-Erkner bereits gedeckelt.

Inwieweit haben Sie den Eindruck, dass Tesla versucht, mit dem Vorfall Politik zu machen?

Firmenchef Elon Musk hatte dazu geschrieben: »Die Produktion von Elektrofahrzeugen anstelle der von Fahrzeugen mit fossilen Kraftstoffen zu stoppen, ist extrem dumm.« Damit verkennt er einen wichtigen Punkt: E-Mobilität ist eine Scheinlösung. Wenn von Mobilitätswende die Rede ist, wird häufig E-Mobilität als klimaneutral gepriesen. Eine reine Abkehr vom Verbrenner- zum Elektromotor ist aber lediglich eine Wende der Antriebstechnologie. Probleme wie der energieintensive Ressourcenverbrauch in der Produktion bleiben bestehen. Was Robin Wood statt dessen fordert, ist eine Reduktion privater Pkw und ein konsequenter Ausbau des Schienenverkehrs, des ÖPNV sowie von Rad- und Fußwegen.

Aber selbstverständlich ist die Debatte um den Tesla-Ausbau ein Politikum. Das ist ja auch das Interessante an der aktuellen Waldbesetzung. Der Ausbau des Werks ist noch nicht entschieden. Die Gemeindevertretung hat kürzlich die Einwohnerinnen und Einwohner Grünheides befragt. Das eindeutige Nein der Bewohnerinnen und Bewohner mit 62,1 Prozent gegen den Ausbau des Tesla-Werks hat die Kommunalpolitik unter Druck gesetzt, den Ausbau des Gigawerks zu verhindern. Zumal das betroffene Waldstück aktuell auch noch in öffentlicher Hand liegt.

Und welche Mittel sehen Sie, um den Ausbau und damit die Waldrodung zu verhindern?

Wichtig ist, dass jetzt weiter politischer Druck auf die Gemeindevertretung gemacht wird, sich entsprechend dem Abstimmungsergebnis zu positionieren. Das geschieht durch die hohe überregionale Aufmerksamkeit für das Thema ebenso wie durch die gute Arbeit der Bürgerinitiative Grünheide sowie die Aktivistinnen und Aktivisten, die vor Ort für eine sozial gerechte Mobilitätswende und Klimagerechtigkeit einstehen.

Annika Fuchs ist Mobilitätsreferentin bei Robin Wood e. V.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (10. März 2024 um 21:32 Uhr)
    E-Mobilität ist dann eine Scheinlösung, wenn sie als 1:1-Umwandlung in elektrisch angetriebene Privat-Pkw implementiert werden soll. Das ist klar der Plan der Herrschenden. Mittels der normativen Kraft des Faktischen werden systematisch und vorsätzlich die öffentlichen Infrastrukturen durch Verrottung und unsinnige Projekte (z. B. »Stuttgart 21«, zehnspuriger Autobahnausbau) zerstört. E-Mobilität als Gemeineigentum ist eine Lösung, leider aber eine utopische. Lokal erzeugter Strom könnte lokalen Individualverkehr (»Dörpsmobil«, elektromobiles Carsharing im ländlichen Raum) antreiben, aber auch ÖPNV, von mir aus auch mit autonom fahrenden Bussen. Von den Folgen des Extraktivismus (Lithium, Kobalt, Graphit, Nickel, Kupfer …) war noch gar nicht die Rede.

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