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Aus: Ausgabe vom 09.03.2024, Seite 5 / Inland
Russland-Sanktionen

Entscheidung zu PCK vertagt

Treuhandverwaltung der Rosneft-Töchter in der BRD verlängert. Russen wollen Anteile an deutschen Raffinerien angeblich verkaufen
Von Knut Mellenthin
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»Zweckdienliche Manöver« (PCK-Werk im brandenburgischen Schwedt)

Im Streit zwischen der Bundesregierung und Rosneft scheint die angedrohte Enteignung der beiden deutschen Tochtergesellschaften des russischen Energiekonzerns vorerst abgewendet. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz teilte am Donnerstag mit, dass die Treuhandverwaltung der Rosneft Deutschland GmbH (RDG) und der Rosneft Refining & Marketing GmbH (RNRM) bis zum 10. September verlängert ist. Das ist nun schon die dritte Verlängerung, seit die Treuhandverwaltung im Zuge der umfassenden Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges am 16. Dezember 2022 erstmals angeordnet wurde. Die damit verbundenen Kontroll- und Bestimmungsrechte werden von der Bundesnetzagentur ausgeübt.

Die deutschen Rosneft-Töchter besitzen eine Mehrheit von 54 Prozent an der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt an der Oder. An zwei weiteren Raffinerien im baden-württembergischen Karlsruhe und im bayerischen Vohburg sind sie jeweils mit 24 bzw. 28 Prozent beteiligt. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums vereinigen sie insgesamt rund zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich.

Die Anordnung der Treuhandverwaltung ist mit einer »drohenden Gefährdung der Energieversorgungssicherheit« begründet. Angeblich sei Rosneft nicht bereit gewesen, die Umstellung der Raffinerie in Schwedt von sanktioniertem russischem Erdöl auf alternative Importe mitzutragen, was vom Unternehmen jedoch bestritten wurde. Inzwischen ist das Hauptargument der Bundesregierung, dass »wichtige Geschäftspartner wie z. B. Rohöllieferanten damit drohen, ihre Geschäftsbeziehungen einzustellen, wenn die Kontrolle an die russische Mutter zurückfallen würde«, wie es in der Pressemitteilung vom Donnerstag heißt.

Anfang Februar hatte das Wirtschaftsministerium eine Enteignung des Rosneft-Konzerns ins Spiel gebracht. In diesem Zusammenhang berichtete das Handelsblatt am 22. Februar unter Berufung auf nicht nachprüfbare interne Informationen über einen »Streit« in der Bundesregierung: Das Bundeskanzleramt fürchte »Vergeltungsmaßnahmen der russischen Seite in Form von Enteignungen deutscher Unternehmen in Russland«. Das Finanzministerium warne vor »möglichen Entschädigungsansprüchen der Russen in beträchtlicher Milliardenhöhe«.

Das Wirtschaftsministerium begründet in seiner Pressemitteilung vom Donnerstag die nochmalige Verlängerung der Treuhandverwaltung damit, dass »die russischen Eigentümer«, also der Rosneft-Konzern, »ihre Absicht erklärt« hätten, »in der verlängerten Laufzeit ihre Anteile an der RDG und der RNRM zu veräußern. Ein Verkauf wäre der rechtssicherste und damit auch schnellste Weg, um Investitionen in die Raffinerien zu ermöglichen und so die Standorte zu sichern«.

Ob Rosneft nur eine unbestimmte »Absicht« erklärt hat, um den Konflikt mit der Bundesregierung zu entspannen, oder ob bereits konkrete Verhandlungen über Verkaufsoptionen stattfinden und gegebenenfalls mit wem, ist nicht bekannt. Mitte Dezember hatte der Shell-Konzern, der an der PCK-Raffinerie in Schwedt mit 37,5 Prozent beteiligt ist, den Verkauf seines Anteils an die britische Prax-Gruppe mitgeteilt. Dieses Geschäft bedarf aber, um rechtskräftig zu werden, noch der »üblichen Zustimmungen«, womit vermutlich in erster Linie die der Bundesregierung gemeint ist. In dieser Sache scheint sich seither nichts Neues getan zu haben.

Für Die Linke kritisierte deren Geschäftsführer im Bundestag, Christian Görke aus Brandenburg, die jüngste Entwicklung: »Die Prüfung einer staatlichen Übernahme der Anteile« von Rosneft an der PCK Schwedt, »wie es auch die Linke seit langem fordert, war wohl nur ein zweckdienliches Manöver«. Nun müsse als Alternative »endlich ein starker Investor her, der den Wandel zu einer grünen Raffinerie auch wirklich stemmen kann«. Dafür komme seiner Ansicht nach nur das kasachische Staatsunternehmen Kazmunaigas in Frage. Dass dieses interessiert sein könnte, wurde schon im August vorigen Jahres bekannt.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (8. März 2024 um 20:53 Uhr)
    Kann mir wer erklären, was eine »grüne Raffinerie« sein soll? Shell verkauft seine PCK-Anteile und erhöht die Dividende um vier Prozent. Wieviel Subventionen verlangt Kazmunaigas für den Einstieg in grüne Bütenträume? Zu »grüne Raffinerie« habe ich diesen dürftigen Fund im weltweiten Netz gemacht: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:a5d053ce-6577-4dfb-8418-5791ac09b998/infografik-gruene-raffinerie-de.pdf Ich frage, woher die »überschüssige« Energie oder die Biomasse in Schwedt kommen soll. Aus Kasachstan? Hier https://blackout-news.de/aktuelles/unwirtschaftlich-gruenes-wasserstoffprojekt-in-heide-vorzeitig-gestoppt/ kann man das lesen: »Grüne Wasserstoffanlage in Heide vorzeitig gestoppt – wirtschaftliche Rentabilität trotz Millionen-Förderung nicht gegeben. Das Projekt wurde seit 2020 vom Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen des Programms ›Reallabore der Energiewende‹ mit 36 Millionen Euro gefördert. Etwa eine Million Euro wurde davon ausgegeben, so eine Sprecherin der H2 Westküste GmbH. Die Landesregierung unterstützte das Projekt als Teil ihrer Wasserstoff-Strategie. Trotz der Fördermittel ist die wirtschaftliche Rentabilität der Anlage zur grünen Wasserstoffproduktion in industriellem Maßstab nicht gegeben, so das Investoren-Konsortium.« Beteiligte Unternehmen: Raffinerie Heide, Ørsted Deutschland und Hynamics Deutschland.

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