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Aus: Ausgabe vom 29.02.2024, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Wahlen in Großbritannien

Gewerkschafter gegen Starmer

Großbritannien: Mächtige Eisenbahnergewerkschaft RMT kehrt Labour-Chef den Rücken zu und unterstützt Corbyn bei Wahlen
Von Dieter Reinisch
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»Wir werden Jeremy Corbyn bei den nächsten Wahlen unterstützen«: RMT-Chef Mick Lynch bei einem Streikposten in London (20.8.2022)

Bei den britischen Wahlen Ende des Jahres steht Labour vor einem Erdrutschsieg. In einer aktuellen Umfrage von Redfield and Wilton Strategies vom Wochenende liegt die Partei von Keir Starmer mit 45 Prozent genau 23 Prozentpunkte vor den Tories. Eine Auswertung des UK Polling Reports vom Dienstag errechnete die daraus resultierende Sitzverteilung: Labour würde 360 Sitze erhalten, die Konservativen dagegen 179 Sitze verlieren und nur noch 186 Sitze im neuen Unterhaus haben.

Trotz dieser Aussichten sind die ehemalige Parteilinke um Jeremy Corbyn und seine Anhänger unzufrieden mit dem neoliberalen Kurs Starmers, der als Regierungschef weitere Privatisierungen und eine Kürzungspolitik à la Anthony Blair verspricht. Ehemalige Labour-Linke organisieren sich deshalb, und versuchen, Gegenkandidaten ins Rennen zu schicken. So wurde im Herbst die neue Partei »Transform Politics« gegründet, zu deren Unterstützern auch der Vorsitzende der Bäckergewerkschaft Ian Hodson gehört.

Im Wahlkreis von Keir Starmer selbst will die von linken Labour-Mitgliedern aus dem Umfeld von Jeremy Corbyn gegründete Initiative »Organise Corbyn Inspired Socialist Alliance« (OCISA) mit dem ehemaligen Anti-Apartheid-Aktivisten und ANC-Abgeordneten Andrew Feinstein ins Rennen gehen, um die Wahl des Labour-Vorsitzenden zu verhindern. Wie der Wahlkreis, in dem Feinstein und Starmer antreten, liegt auch der von Jeremy Corbyn in London. Der populäre Linkspolitiker hat seit mehr als vier Jahrzehnten seinen Sitz in Islington North. Corbyn wurde im März 2023 aus der Labour-Fraktion ausgeschlossen und macht seitdem als unabhängiger Abgeordneter weiter.

Starmer stellte schnell klar, dass Corbyn bei den nächsten Wahlen nicht für Labour antreten dürfe. Dennoch erklärte Corbyn zunächst, dass er nur mit einem Labour-Ticket antreten werde. Dies sei die Partei, in der er sein ganzes politisches Leben aktiv gewesen sei, und daran werde sich auch nichts ändern. Anfang Januar wurde dann aber bekannt, dass Corbyn plane, seinen Sitz in Islington North als Unabhängiger zu verteidigen. Dies deutete er auch im Interview mit jW an: »Seit ich 1983 Abgeordneter für Islington North wurde, habe ich die damalige Regierung für das Streben nach einer gleichberechtigteren Gesellschaft in die Pflicht genommen.« Das habe er in den vergangenen 41 Jahren für seine Wähler getan, egal »wer der Premierminister« gewesen sei: Er habe für seine Prinzipien und nicht für eine Partei gekämpft: »Das werde ich auch weiterhin tun«, erklärte er im jW-Gespräch.

Rückenwind bekommt er dafür nun von der mächtigen Eisenbahnergewerkschaft RMT. Gewerkschaftschef Michael Lynch sagte, seine Organisation werde Jeremy Corbyn auch gegen einen Labour-Kandidaten unterstützen, berichtete die Zeitung Mirror am Sonntag. Ähnliches schrieb die BBC. Sie zitierte eine Rede Lynchs auf der Konferenz »War on Want« am Wochenende, in der er sagte: »Wir werden alle möglichen Leute bei dieser Wahl unterstützen, weil wir nicht mit Labour verbunden sind.«

Damit machte er erstmals deutlich, dass die RMT auch in anderen Wahlkreisen linke Kandidaten gegen Labour unterstützen will. Insbesondere für Feinstein in Starmers Wahlkreis könnte dies eine wichtige Unterstützung sein. Die RMT ist nicht nur gut organisiert, sondern verfügt auch über beträchtliche finanzielle Ressourcen. Die Gewerkschaft ist mit mehreren Dutzend Millionen Pfund einer der größten Spender von Labour.

Lynch fuhr fort: »Wir werden Labour-Kandidaten unterstützen. Wir werden sozialdemokratische Kandidaten unterstützen. Wir werden Jeremy Corbyn bei den nächsten Wahlen unterstützen.« An Starmer gewandt, warnte Lynch, dass er keinen »Blankoscheck für alles, was er will« bekommen werde, sollte Labour die Parlamentswahlen gewinnen.

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