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Aus: Ausgabe vom 23.02.2024, Seite 8 / Ansichten

Investorendeal passé

Von Felix Bartels
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Protest von heute: Gegenstände auf dem Spielfeld

Alle Spiele stehen still, wenn ihr starker Arm es will. Ultras der deutschen Profifußballklubs haben die DFL zum Aufgeben gezwungen – mit Tennisbällen. In der zurückliegenden Woche noch hatte DLF-Aufsichtsrat Hans-Joachim Watzke einen Mangel an demokratischem Bewusstsein bei den Protestierenden festgestellt. Und sich damit populistischer gezeigt als jeder Kalle vorm Bierstand. Denn diese Kampfform, den Spielbetrieb zu stören, muss als Antwort auf eine Machtlage verstanden werden, die von vornherein schief ist. Funktionäre agieren gegen ihren Verein, demokratisches Verfahren bleibt ihnen vorbehalten, die Basis, wenn sie sich gegen das Votum ihrer Vorstände stellt, stört nicht ein Gleichgewicht, sie stellt es wieder her.

»Ab sofort ist der Fußball erpressbar«, kommentiert der unvermeidliche Alfred Draxler den technischen K.-o.-Sieg der Ultras. Aber »wem gehört der Fußball?« fragen die Zeitungen am Day after. Je nun, in Deutschland haben Fußballklubs Vereinsform, also Hauptversammlungen mit Rechenschaftspflicht. Sie haben gewählte Aufsichtsräte mit Kontrollfunktion im Sinne der Mitglieder. Und eine 50-plus-eins-Regel, die vorsieht, dass die Vereine nicht die Mehrheit ihrer Anteile zur Kapitalbildung entäußern dürfen. Was gewährleisten soll, dass sie weiter über sich selbst bestimmen können. So gehört der Fußball weder Fans noch Funktionären noch Investoren, er gehört den Vereinen, und die hätten eine derart gewichtige Handlung wie das Placet für den Einstieg eines Investors durch eine Urabstimmung zu legitimieren gehabt.

Das ganze Szenario ist so absurd wie ein Kammerspiel von Dürrenmatt. Das Ziel vom Deal: den Rückstand zur Premier League verkürzen, die aufgrund der Commonwealth-Struktur als erste am Start war bei der globalen Vermarktung und mittlerweile einen uneinholbaren Vorsprung hat. Man jagt also einem Gewinn nach, der nicht zu haben ist. Verlieren kann man dagegen viel. Noch gibt es Stehplätze in den Stadien, noch spiegeln die Kurven einen demographischen Schnitt, noch sind der Zerfaserung des Spieltags Grenzen gesetzt. Ein machtvoller Investor würde Einfluss auf den Spielplan nehmen, um etwa den asiatischen Markt zu bedienen. Spiele am Montag oder, mit Rücksicht auf die Zeitverschiebung, bereits um 10 Uhr wären zu befürchten. Gewiss sitzen auch in Shanghai Fußballfans, wichtiger aber sind die aktiven. Sie konsumieren den Sport nicht bloß, sie sind – das haben die leeren Arenen während der Pandemie gezeigt – Teil des Geschehens und seiner Attraktivität. Auch für Fans in Shanghai.

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