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Aus: Ausgabe vom 22.02.2024, Seite 4 / Inland
Kriegspolitik

Kein Konflikt in der Sache

Zeichen auf Eskalation: Ampelfraktionen und Union wollen Regierung zur Lieferung von Langstreckenwaffen an Kiew auffordern
Von Kristian Stemmler
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Eine Pose für jede Lage: Marie-Agnes Strack-Zimmermann (München, 18.2.2024)

Im Vorfeld des zweiten Jahrestages des russischen Einmarsches in die Ukraine unternehmen diejenigen Kräfte in der Regierungskoalition und der Opposition, die auf eine langfristige Fortsetzung des Krieges und eine weitgehende Verwicklung der Bundesrepublik in diesen Krieg etwa über Waffenlieferungen hinarbeiten, verstärkte Anstrengungen zur Durchsetzung ihrer Maximalpositionen. An diesem Donnerstag soll im Parlament ein Antrag der Ampelfraktionen verabschiedet werden, der darauf hinausläuft, die Bundesregierung indirekt zur Lieferung von TAURUS-Marschflugkörpern an Kiew aufzufordern. Die SPD schwenkt damit auf die Linie von Bündnis 90/Die Grünen und FDP ein. Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht sprach am Dienstag von einem »kriegsbesoffenen Antrag«, der »eine neue Eskalationsstufe und eine wirkliche Gefahr für unser Land« bedeute.

In dem Antrag heißt es, die Ukraine solle in die Lage versetzt werden, »völkerrechtskonforme, gezielte Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des russischen Aggressors zu ermöglichen«. In der entsprechenden Passage des Antrags wird Bezug genommen auf die sogenannte Sicherheitsvereinbarung, die Berlin und Kiew am 16. Februar unterzeichnet haben. Darin werde, heißt es im Antrag, »langfristige militärische Unterstützung« zugesagt, »um die territoriale Unversehrtheit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen in vollem Umfang wiederherzustellen«. Dies beinhalte die Lieferung von »zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen und Munition«.

Einigen reicht auch das nicht. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann kündigte an, dass sie »auch« für den noch extremeren Antrag der oppositionellen Union stimmen wolle. Anders als in dem der Ampel wird dort ausdrücklich die Lieferung von TAURUS-Marschflugkörpern gefordert, die der Bundeskanzler bisher ablehnt.

Andere Ampelvertreter nutzen Strack-Zimmermanns Extravaganzen für Scheingefechte: Irene Mihalic, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte am Mittwoch, sie könne Strack-Zimmermanns Verhalten »wenig nachvollziehen«. Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), kritisierte die FDP-Spitzenkandidatin für die EU-Parlamentswahl. Dass sie erneut einen Konflikt in der Koalition inszeniere, sei »nur mit Wahlkampf, aber nicht in der Sache« zu begründen. Von der Union gab es ebenfalls keinen Beifall für Strack-Zimmermann. CDU-Chef Friedrich Merz sprach von »Maulheldentum«.

Der Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter interpretiert den Antrag der Ampelfraktionen nüchtern: Es sei vollkommen klar, dass die Formulierung aus dem Antrag auf die TAURUS-Marschflugkörper abziele, sagte er dem Spiegel. Er erwarte vom Kanzler, »dass er umsetzt, was ihm die Ampelfraktionen auftragen«.

Im Kanzleramt ziert man sich noch. Der FAZ (Mittwoch) zufolge heißt es dort, die Formulierung »weitreichende Waffensysteme« stehe nicht für TAURUS, sondern für den Mehrfachraketenwerfer »Mars II«. Auch Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, trat vorsichtig auf die Bremse. Der Antrag fordere die Regierung »nicht ultimativ auf, jetzt sofort Marschflugkörper zu liefern, schließt aber für die Zukunft nichts aus«, sagte er dem Tagesspiegel.

Wagenknecht warf den Ampelfraktionen vor, den Krieg nach Russland tragen zu wollen. Das bringe der Ukraine keinen Frieden, »sondern zieht Deutschland in den Krieg hinein«. Sie forderte erneut einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen.

In Kiew gibt man sich derweil demonstrativ zuversichtlich, dass die gewünschten Waffensysteme über kurz oder lang geliefert werden. Der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew erinnerte gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwoch) daran, dass es auch bei der Lieferung anderer Waffen zunächst Vorbehalte gegeben habe: »Auch bei den Panzern hieß es lange, diese Systeme werden nicht geliefert. Irgendwann waren sie dann aber doch da. Das Gleiche gilt für Systeme, über die nie öffentlich diskutiert wurde.«

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