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Aus: Ausgabe vom 16.02.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
»Ökologisierung des Güterverkehrs«

Freie Bahn für Monstertrucks

EU-Initiative für grenzüberschreitenden Güterverkehr mit Gigalinern auf den Weg gebracht. Nötiger Ausbau der Infrastruktur würde Milliarden kosten
Von Gudrun Giese
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»Ökologisierung des Güterverkehrs«: Gigaliner in Thüringen

Schon bald könnten in weiten Teilen Europas Mammutlastwagen mit Überlänge und -gewicht unterwegs sein. Der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments hat am Mittwoch den Weg für die Zulassung sogenannter Gigaliner freigemacht. Liberale und rechte Parteien stellen in dem Ausschuss die Mehrheit, und mit der wollen sie offenkundig ein Gesetzespaket der EU-Kommission abnicken, das im Juli vergangenen Jahres unter dem Titel »Ökologisierung des Güterverkehrs« auf den Weg gebracht wurde.

In einer Pressemitteilung der Kommission vom 11. Juli 2023 heißt es beschönigend zur Ausweitung des Gütertransports mit Gigalinern, dass »die höchstzulässigen Gewichte, Längen, Breiten und Höhen für schwere Nutzfahrzeuge festgelegt« werden sollen, um »Anreize für die Nutzung umweltfreundlicherer Fahrzeuge und Technologien« zu schaffen. Würden »emissionsfreie Antriebssysteme« leichter – damit dürften Elektroantriebe gemeint sein, die allerdings nicht emissionsfrei sind –, könnten »umweltfreundlichere Fahrzeuge von einer zusätzlichen Nutzlast im Vergleich zu konventionellen Lkw profitieren«.

Auf die Gefahren von mehr Gigalinern im grenzüberschreitenden Verkehr machte Anna Deparnay-Grunenberg, verkehrspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im EU-Parlament, in einer Mitteilung aufmerksam: »Ich halte es für absurd, dass die Monsterdinger in der ganzen EU über die Straßen kriechen sollen.« Ein entsprechendes Gesetz würde bedeuten, dass Tunnel, Kurven, Rastplätze und weitere Infrastruktur für Milliarden von Euro umgerüstet werden müssten. »Dabei brauchen wir dringend mehr Geld, um es in den Ausbau der Schiene zu stecken, denn die kann viel effizienter Güter transportieren.«

Gigaliner sind gut 25 Meter lang und sechzig Tonnen schwer, heißt es auf der Webseite www.alpeninitiative.ch, die sich gegen den grenzüberschreitenden Einsatz der Monstertrucks wendet. Bisher würden sie bereits in Schweden und in Finnland in großer Zahl eingesetzt. In der Bundesrepublik dürfen sie seit 2017 auf einem 11.600 Kilometer umfassenden Streckennetz fahren, zu dem Autobahnen, aber auch Bundes-, Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen zählen. In den Niederlanden, Belgien, Dänemark, Portugal, Spanien und Tschechien werde der Einsatz der Gigaliner getestet, schrieb die Initiative im Juni 2023. Auch wenn die Schweiz nicht EU-Mitglied sei, werde bei Verabschiedung der Richtlinie der »Druck zunehmen, Gigaliner auf den Schweizer Straßen zuzulassen«, da die Nord-Süd-Verbindung eine der wichtigsten Verkehrsachsen Europas sei.

Der von der EU-Kommission geplante und vom Verkehrsausschuss des EU-Parlaments abgenickte Richtlinienentwurf möchte den Einsatz der Monsterfahrzeuge durch die grenzüberschreitende Zulassung attraktiver machen. Das wird in einer Pressemitteilung der Kommission vom vergangenen Juli deutlich, in der es heißt, die Fahrzeuge könnten über die Grenzen benachbarter Mitgliedstaaten fahren, »ohne dass ein bilaterales Abkommen erforderlich ist und ohne Beschränkung, dass nur eine Grenze überschritten wird«.

Vermeintlicher ökologischer Nutzen: Dieselbe Frachtmenge könne mit weniger Fahrten befördert werden. Das dürfte jedoch vor allem ein ökonomischer Vorteil sein. Die Grünen-Abgeordnete Deparnay-Grunenberg hofft, dass das Votum für mehr Gigaliner in der EU im Plenum des EU-Parlaments kassiert wird. Immerhin sei schon 2014 ein entsprechender Vorstoß abgewehrt worden.

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