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Aus: Ausgabe vom 15.02.2024, Seite 1 / Titel
NATO-Pressekonferenz

Kriegskarneval in Brüssel

NATO meldet »beispiellosen« Anstieg der Rüstungsausgaben und Rekordsummen für Munitionsbeschaffung. Deutschland meldet: Zwei-Prozent-Ziel erreicht
Von Arnold Schölzel
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NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch in Brüssel beim Zahlenschunkeln

Aschermittwoch, Schluss mit lustig? Die NATO verlängerte am Mittwoch den Karneval und war selig. Jedenfalls in der Darstellung von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Er trat am Mittwoch in Brüssel vor die Presse und verkündete »beispiellosen« Zuwachs bei den Rüstungsausgaben der Mitgliedsländer des Paktes sowie große Erfolge der Armee Kiews im Krieg. Daher sei weitere Militärhilfe dort keine »Nächstenliebe«, sondern ein »Investment« in Sicherheit. Die NATO hat demnach keine Probleme, denn auch Russland, so der Norweger, plane keinen Angriff auf ein Allianzmitglied, viel gefährlicher sei seine »hybride« Kriegführung – zum Beispiel, wenn Moskau Hunderte, wenn nicht sogar tausend Migranten an die finnische Grenze lässt.

Soviel öffentliche Zufriedenheit war im NATO-Hauptquartier selten. Trump? »Die USA brauchen eine starke NATO« – siehe Koreakrieg bis Afghanistan, da »kämpften wir stets Schulter an Schulter«. Sprach Stoltenberg, danach schlossen sich hinter ihm die Türen. Am Nachmittag tagte die Ukraine-Kontaktgruppe im »Ramstein-Format«, an diesem Donnerstag widmen sich die NATO-Kriegsminister der Vorbereitung des Gipfels zum 75. Geburtstag des Bündnisses im Sommer. Da hat Stoltenberg für draußen nur gute Nachrichten.

In Zahlen: Seit dem NATO-Beschluss von 2014, dass jedes Mitgliedsland mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Krieg und Aufrüstung ausgeben sollen, haben die europäischen Mitgliedstaaten und Kanada »mehr als 600 Milliarden US-Dollar« dafür verschwendet. Das ist zwar erheblich weniger, als die USA in einem Jahr fürs Militär aufwenden, aber offenbar nennenswert. Und nur ein Anfang. Stoltenberg: »Im vergangenen Jahr kam es bei den europäischen Verbündeten und in Kanada zu einem beispiellosen Anstieg von elf Prozent.« Er gehe davon aus, dass in diesem Jahr insgesamt 18 der 31 Bündnispartner das Zwei-Prozent-Ziel erreichten. Das seien sechsmal so viele wie 2014. Damals hätten lediglich drei Staaten dieses Ziel erreicht. Und noch eins drauf beim Kriegskarneval: »2024 werden Alliierte in Europa zusammen 380 Milliarden US-Dollar in Verteidigung investieren.« Das entspreche zwei Prozent des prognostizierten gemeinschaftlichen Bruttoinlandsproduktes der Länder.

Deutschland ist bald Musterschüler: Es meldete der NATO laut dpa erstmals seit drei Jahrzehnten wieder geplante Militärausgaben in Höhe von zwei Prozent des BIP. Demnach übermittelte die Bundesregierung für das laufende Jahr einen Betrag, der nach NATO-Kriterien einer Summe von 73,41 Milliarden US-Dollar entspricht. Das sei für die BRD in absoluten Zahlen ein Rekordwert und bedeutete eine BIP-Quote von 2,01 Prozent. Das soll zuletzt 1992 der Fall gewesen sein, vor dem DDR-Anschluss hatte die Quote meist bei über drei Prozent gelegen.

Mit all dem war das Zahlenschunkeln für Stoltenberg aber nicht vorbei: »In den letzten Monaten hat die NATO Verträge im Wert von zehn Milliarden US-Dollar« für die Lieferung von Munition abgeschlossen – für die Ukraine und die leeren Munitionsbunker der NATO-Länder. Und geprobt wird mit dem ganzen Zeug genau jetzt, wie der NATO-Generalsekretär stolz anmerkte: im Manöver »Steadfast Defender«, das mit 90.000 Soldaten aus allen 31 Staaten plus Schweden »die größte NATO-Übung seit Jahrzehnten« sei. Trump und US-Republikaner gingen in dem Gedröhn einfach unter.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (14. Februar 2024 um 21:19 Uhr)
    Natürlich streben die USA danach, ihre Hegemonie mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten. Hierbei spielt die Militärindustrie eine entscheidende Rolle, da sie in diesem Bereich immer noch eine Führungsposition innehaben und versuchen, diesen Sektor weiter florieren zu lassen. Auf diese Weise hoffen sie, ihre dominante Stellung noch eine Weile aufrechterhalten zu können.

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