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Aus: Ausgabe vom 14.02.2024, Seite 15 / Antifaschismus
Nazi-Organisationen

Höllensturm für den Feind

Magdeburg: »Centuria«, eine der mächtigsten Neonaziorganisationen der Ukraine, hat einen Ableger in Deutschland
Von Susann Witt-Stahl
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Kundgebung in München, bei der auch den »Asowschen Verteidigern von Mariupol« gehuldigt wird (München, 25.3.2023)

Der Führer der »Nationalen Miliz« der »Asow«-Bewegung schwor seine Kameraden am 1. August 2020 am Rand eines Waldes in der Nähe von Kiew auf den finalen »Kampf der Zivilisationen« ein. »Das Zeitalter der absoluten Dunkelheit liegt vor uns«, prophezeite Igor »Tscherkas« Michailenko und verlangte von den anwesenden hunderten größtenteils vermummten Kämpfern seiner »Bürgerwehr« Opferbereitschaft für die Idee einer »Großukraine«. Er gab einen neuen Schlachtruf aus: »Aut Caesar, aut nihil!« (alles oder nichts). Im Fackelschein und mit Nazipomp, der an die Kriegsästhetik des antiken Roms angelehnt war, war die Organisation »Centuria« geboren – und die »Nationale Miliz« Geschichte. Diese hatte seit 2017 in ukrainischen Städten brutal Selbstjustiz geübt und beispielsweise die LGBTQ-Szene tyrannisiert. »Centuria« genießt hierzulande seit Jahren die Bewunderung durch die Neonazikleinpartei »Der III. Weg«.

Mittlerweile unterhält die Organisation (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen und ebenfalls mit »Asow« verbundenen Militärorden, der schon vor 2020 existierte) einen Ableger in Deutschland: Am 24. August 2023 riefen eingewanderte ukrainische Faschisten in Magdeburg eine Initiativgruppe ins Leben: »Obwohl die ukrainische Jugend nicht in ihrer Heimat ist, beginnt sie sich zu vereinen«, verkündete sie in den sozialen Medien. Die »Feinde« ihres Landes, denen sie einen »Höllensturm« bereiten wollen, müssten begreifen, dass »ukrainische Emigranten« nicht bereit seien, »für ein paar hundert Euro ihre nationale Identität zu vergessen«.

Fotos und Videos zeigen eine nationalistische Kundgebung auf dem Alten Markt in Magdeburg zum 32. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine – wie gewohnt unbehelligt von Antifas und kritischer Medienberichterstattung. Der Aufmarsch ist laut eigenen Angaben von »Centuria« organisiert worden. Die Teilnehmenden posierten mit einer Fahne des Bandera-Flügels der faschistischen Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN). Ebenfalls beteiligt gewesen sein soll die »Deutsch-Ukrainische Gesellschaft Sachsen-Anhalt«. Zuletzt organisierte die Gruppe eine Solidaritätskundgebung für die »Verteidiger von Asowstal« vor dem Roten Rathaus in Berlin am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag.

Seit ihrer Gründung lädt »Centuria Magdeburg« zudem zu gemeinsamen Wanderungen im Harz. So zum Beispiel mit dem nationalistischen Pfadfinderbund »Plast«, der seit 1951 auch in Deutschland angesiedelt ist und bereits 1947 in Mittenwald sein erstes Zeltlager aufgeschlagen hatte. Laut eigenen Angaben hat »Centuria Magdeburg« Mitglieder in insgesamt sechs Städten und ist mit ukrainischen Organisationen in ganz Deutschland vernetzt. Die Gruppe akquiriert momentan Gelder für den Kampfverband ihrer Mutterorganisation, der seit 2022 in die Dritte »Asow«-Sturmbrigade der ukrainischen Armee unter dem Kommando des Naziführers Andrij Bilezkij integriert ist, und beteiligt sich am »Informationskrieg«. Nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen von den Faschisten gehasste Minderheiten: So das »deutsche Kalifat«, palästinensische und andere aus muslimisch geprägten Regionen stammende Migranten, ebenso »schwarze Vergewaltiger«, die angeblich von der Polizei geschützt werden, und »Pädophile«, wie die Gruppe Homosexuelle nennt.

»Wir schaffen eine neue Generation von Helden!« verspricht man. Die Gruppe setzt getreu ihrem Führer Michailenko – der »alles Antiukrainische vernichten« will und Leiter der nazistischen Organisation »Patriot der Ukraine« in der Region Charkiw sowie von 2014 bis 2016 Kommandeur des »Asow«-Regiments der Nationalgarde war – auf Gewalt: »Freie Menschen haben Waffen«, heißt es auf ihrem Telegram-Kanal. Selbige werden von der deutschen Ampelregierung reichlich an die ukrainischen Streitkräfte und damit auch an diesen angehörende faschistische und andere ultrarechte Einheiten geliefert. Daher ist davon auszugehen, dass »Centuria« ihre Strukturen in Deutschland ungehindert von den hiesigen Sicherheitsbehörden ausbauen kann.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marcus B. (14. Februar 2024 um 15:08 Uhr)
    Die inhärente Feigheit der Faschisten zeigt sich hier so deutlich wie nirgends sonst. Sollten diese Kraftmeier nicht an der Front in der Ukraine kämpfen? Was für Flaschen! Statt dessen geht die Entrussifizierung der Ukraine dadurch vonstatten, dass bevorzugt »Russen« ins Militär eingezogen werden. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Anekdote, die Putin im Interview mit Tucker Carlson zum Besten gab: Eine ukrainische Einheit war von einer russischen umzingelt worden und weigerte sich aufzugeben und das eigene Leben zu verschonen: »Russen geben nicht auf!« Putin hat daraus natürlich »geschlossen«, dass Ukrainer sich selbst in solchen Situationen noch als eigentlich russisch betrachten. Ich sehe darin allerdings einen weiteren Beleg dafür, dass man bevorzugt ukrainische Russen an der Front verheizt – sind ohnehin nur »Untermenschen« -, getreu dem Motto, die Russen im Blut ihrer ukrainischen Brüder zu ertränken.

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