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Aus: Ausgabe vom 14.02.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Guatemala

Guatemalas Zwei-China-Politik

Neue Regierung will Beziehungen zur Volksrepublik aufnehmen - und weiter mit Taiwan kooperieren. Beijing hält davon nichts
Von Thorben Austen, Guatemala-Stadt
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»Daran interessiert, mit der Volksrepublik in Kontakt zu treten«: Außenminister Carlos Ramiro Martínez am 5. Februar

Die neue Regierung Guatemalas bemüht sich um die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit China, teilte Außenminister Carlos Ramiro Martinez in der vergangenen Woche mit. Der Schritt sei nicht als »Hinterhalt« gegenüber Taiwan oder den USA zu verstehen, betonte der Minister. Die wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zu Taiwan würden nicht zur Disposition gestellt.

Aktuell wird Taiwan weltweit nur noch von elf Staaten und dem Vatikan anerkannt, darunter in Mittelamerika Paraguay, Belize, einige kleinere Inselstaaten und eben Guatemala. Die USA sind trotz offiziell fehlender diplomatischer Beziehungen Taiwans wichtigster internationaler Unterstützer.

»Wir werden die Zusammenarbeit mit Taiwan auf dem bisherigen Niveau fortsetzen«, versicherte Martinez. »Aber Präsident Bernardo Arévalo hat signalisiert, dass wir das Gewicht und die Macht Chinas nicht ignorieren dürfen. Wir sind daran interessiert, mit der Volksrepublik in Kontakt zu treten und versuchen, Beziehungen rund um den Handel aufzubauen«. Geplant sei zunächst die Einrichtung eines »Büros für kommerzielle Interessen«.

Beijing hat auf die Äußerungen von Martinez relativ schroff reagiert. Das »Ein-China Prinzip« sei »Prämisse und politische Grundlage für die Zusammenarbeit mit allen Ländern, einschließlich Guatemala«, erklärte Wang Wenbin, Sprecher des chinesischen Außenministeriums. »Von der neuen Regierung Guatemalas wird erwartet, dass sie auf den historischen und aktuellen Trend reagiert und so schnell wie möglich eine richtige Entscheidung trifft, die im grundlegenden und langfristigen Interesse der guatemaltekischen Nation und des guatemaltekischen Volkes liegt«, so Wenbin.

Guatemala ist das bevölkerungsreichste Land Mittelamerikas und die stärkste Volkswirtschaft der Region. Allerdings leben laut Zahlen der Weltbank 55,2 Prozent der Bevölkerung in Armut und extremer Armut. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung – je nach Zählung zwischen 70 und 80 Prozent – arbeiten ohne festen Arbeitsvertrag. Laut Weltbank werden 49 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesem »informellen« Sektor erwirtschaftet. Weitere rund 19 Prozent des BIP machen die »Remesas« genannten Überweisungen von im Ausland, meist in den USA, lebenden Guatemalteken aus.

Guatemala ist nach wie vor ein Agrarland, wichtig für den Export sind Kaffee-, Zuckerrohr-, Bananen- und Kardamomanbau, in den vergangenen Jahren hat die Palmölproduktion stark an Bedeutung gewonnen. Guatemala zählt zu den weltweit zehn größten Herstellern. Insgesamt hat der Anteil der in der Landwirtschaft tätigen Menschen aber deutlich abgenommen, von 52,2 Prozent im Jahr 1994 auf 33 Prozent 2018.

Alle Wirtschaftszweige werden kontrolliert vom mächtigen Unternehmerverband CACIF (Comité Coordinador de Asociaciones Agricolas, Comerciales, Industriales y Financieras) und ihm angegliederten Handelskammern. In wichtigen Branchen herrschen Monopole, wie beispielsweise Cemento Progreso für die Zementherstellung oder die Cerveceria Centroamericana für die Bier- und Softgetränkeproduktion. Viele der großen Unternehmen gehören den sechs reichsten Familien des Landes. Laut einer Studie der Union Bank of Switzerland verfügen die 260 reichsten Guatemalteken über ein Kapital von 30 Milliarden US-Dollar, dies entspricht 30 Prozent des BIP.

In der auslaufenden Legislaturperiode hatte die Fraktion der Partei Movimiento Semilla des nun gewählten Präsidenten Arévalo mit Gesetzesinitiativen unter dem Motto »Unternehmen ja, CACIF nein« von sich reden gemacht. Mit ihnen soll die Macht des CACIF beschnitten, der freie Wettbewerb und kleine und mittelständische Unternehmen gestärkt werden.

In die Kritik geriet Arévalo nun, weil seinem Kabinett auch Mitglieder des CACIF angehören, so die Ministerin für Kommunikation, Infrastruktur und Wohnen sowie die Ministerin für Bergbau und Energie in spe, Anayté Guardado. Letztere trat allerdings nach öffentlicher Kritik das Amt gar nicht erst an. Arévalo verteidigte die Personalien gegenüber der Presse, die genannten seien »als Fachleute, nicht als Mitglieder des CACIF ausgewählt worden«.

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