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Aus: Ausgabe vom 08.02.2024, Seite 5 / Inland
Handelsschiffahrt

Hickhack um Weservertiefung

SPD-Unterbezirk Bremen-Stadt stellt mittelbar Vertiefung der Außenweser in Frage
Von Burkhard Ilschner
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Weser zwischen Brake und Nordenham (Drohnenaufnahme)

Die geplante Weservertiefung hat einmal mehr für Zoff zwischen Bremerhaven und Bremen gesorgt. Eine Woche nach der großen Aufregung sind die Wogen längst nicht geglättet. Dem Landesparteitag der Bremer Sozialdemokraten hatte am 30. Januar ein Beschlussantrag vorgelegen, dem so viel Sprengkraft innewohnte, dass eine Entscheidung letztlich vertagt wurde.

Vor dem Parteitag im Bürgerhaus in Vegesack hatte die Bremerhavener Nordsee-Zeitung enthüllt, ein »Antrag aus dem mächtigen SPD-Unterbezirk Bremen-Stadt (fordere) einen Stopp der Planungen für die Vertiefung der Weser zwischen Bremerhaven und Brake«. Der Landesvorstand, so die Zeitung empört, habe dem Parteitag »auch noch Zustimmung« empfohlen; die Diktion macht deutlich, in welchen Mustopf die Genossen aus dem Unterbezirk da gegriffen hatten: Nicht nur die lokale Presse an der Wesermündung muckte auf, empört reagierten auch Bremerhavens Sozialdemokraten samt SPD-Bürgermeister Melf Grantz, die Opposition, die Handelskammer sowie etliche weitere Verbände. Viele fürchten mögliche Folgen der Forderung. Und das hat zu tun mit dem Planungsrecht und den darin geregelten Kompetenzen der Bundesländer.

2016 hatte das Bundesverwaltungsgericht die damalige Planung zur Weservertiefung für rechtswidrig erklärt: Es dürften nicht drei Flussabschnitte in einem Verfahren geregelt werden. Unterschiedlich tief ausgebaggert werden sollten die Außenweser zwischen Nordsee und Bremerhaven, die nördliche Unterweser zwischen Bremerhaven und Brake sowie die südliche Unterweser zwischen Brake und Bremen. Mit dem Urteil war die Sache nicht erledigt, vielmehr wurde nun über drei verschiedene Planverfahren debattiert. In ihrem aktuellen Koalitionsvertrag für das Land Bremen erklärten SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen im vergangenen Sommer, auf den dritten Abschnitt »aus ökologischen Gründen« verzichten zu wollen. Die Entscheidung über den mittleren Abschnitt wurde zurückgestellt, man will mit Blick auf ökologische Folgen und Hochwasserschutz amtliche Untersuchungen abwarten. Lediglich die Außenweservertiefung bejahten die Koalitionäre uneingeschränkt, um der Schiffahrt »eine dauerhaft wettbewerbsfähige Erreichbarkeit Bremerhavens zu ermöglichen«.

Um den Abschnitt Bremerhaven–Brake, der einen dreistelligen Millionenbetrag an Steuergeldern verschlingen würde, wird am heftigsten gestritten. Nicht nur in der SPD des Unterbezirks Bremen-Stadt, auch in großen Teilen der Bevölkerung wird das Vorhaben kritisch gesehen: Veränderter Tidehub und mögliche Verschlickung werden befürchtet. Auf der linken Weserseite, im Landkreis Wesermarsch, wird die Maßnahme zwar sehr breit abgelehnt – ausgerechnet dort aber ist der einzige Nutznießer der geplanten Vertiefung ansässig, der Seehafen Brake mit dem Betreiberunternehmen Jan Müller. Die Notwendigkeit der Vertiefung für eben diesen Hafen wird seit Jahren schöngerechnet. Tatsächlich hatten in den vergangenen knapp zehn Jahren weniger als fünf Prozent aller ein- oder auslaufenden Seeschiffe im Braker Hafen überhaupt einen Tiefgang von mehr als zehn Metern; die aktuelle Fahrwassertiefe beträgt 11,90 Meter. Die allermeisten Schiffe sind viel zu klein, um derartige Tiefgänge überhaupt erreichen zu können.

Der Haken an der Sache ist, dass die Firma Müller die Landesregierung in Hannover bislang auf ihrer Seite weiß. Die aber muss – Stichwort Planungsrecht – der von Bremen gewünschten Außenweservertiefung zustimmen, weil die Ländergrenze mitten in der auszubaggernden Fahrrinne verläuft. Falls also Bremen die Vertiefung der nördlichen Unterweser verneint, hätte Hannover es in der Hand, sich einem Antrag der Nachbarn auf Zustimmung beim Außenweser-Vorhaben zu verweigern. Alles in allem Grund genug für den SPD-Landesvorstand, den brisanten Antrag gleich zu Beginn des Parteitags von der Tagesordnung zu streichen. Die Ankündigung, das Thema erst intern mit den Vorständen der Unterbezirke erörtern zu wollen, erhielt zwar Beifall – der Streit dürfte damit aber nur vertagt sein.

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