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Aus: Ausgabe vom 30.01.2024, Seite 8 / Ausland
Literatur auf Kuba

»Es war auch eine Kulturrevolution«

Über das Verlagswesen in Kuba und die Bedeutung von Literatur. Ein Gespräch mit Sandra Sarmiento
Interview: Carmela Negrete
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In der Bundesrepublik Deutschland werden wieder faschistische und rassistische Bücher aus den 1930er Jahren herausgegeben. Auch bei größeren Händlern sind sie zu finden. Welchen Eindruck hinterlässt dieser Umstand bei Ihnen?

Das beunruhigt mich und ich denke, dass es den meisten Menschen in Deutschland genauso geht. Die Frage, die sich immer stellt, ist: Warum die Notwendigkeit, diese Texte erneut zu veröffentlichen? Kulturelle Institutionen haben die Pflicht, darauf zu achten, was sie der Bevölkerung anbieten, was die Menschen konsumieren möchten und was die Gesellschaft wirklich benötigt. Es gibt so viele Informationen, dass es jungen Menschen manchmal sehr schwerfällt, zu unterscheiden. Es muss eine Linie geben bei dem Versuch, zu erklären, wie die Welt funktioniert.

Ist dies in Kuba so?

In Kuba kämpfen wir für einen Prozess der kulturellen Dekolonisierung. Durch die spanische Herrschaft waren wir immer europäisch geprägt, aber auch der Einfluss der USA ist sehr stark.

Sie waren Vizepräsidentin des Kubanischen Buchinstituts. Wie ist das Verlagswesen Kubas organisiert?

Nach dem Sieg der Kubanischen Revolution wurde am 31. März 1959 die Nationale Druckerei Kubas (Imprenta Nacional de Cuba, jW) gegründet, die von dem großen Intellektuellen Alejo Carpentier geleitet wurde, Träger unseres Nationalpreises für Literatur und des Cervantes-Preises. Das erste im revolutionären Kuba gedruckte Buch, »Don Quijote de la Mancha«, wurde mehr als zwei Millionen Mal kostenlos im ganzen Land verteilt. Die Kubanische Revolution war auch eine Kulturrevolution. Die Bedeutung von Kultur und die Notwendigkeit zur Bildung unserer Bevölkerung waren von Anfang an klar.

Im Vergleich mit den anderen lateinamerikanischen Ländern lesen in Kuba sehr viele Menschen und die Bevölkerung gilt als besonders gebildet.

Ja, es gibt sehr viele Menschen, die lesen. Bücher sind stark subventioniert, damit sie sich jeder leisten kann. Die Verbreitung von Kultur hatte für Fidel Castro oberste Priorität. Die Alphabetisierungskampagne, die im Jahr 1961 begann, war einer der glorreichsten Prozesse der Revolution: Junge Studenten aus wohlhabenden Familien beteiligten sich daran, der Landbevölkerung Literaturwerke näherzubringen. In der Anfangszeit der Revolution wurden besonders viele Werke kubanischer Autoren veröffentlicht, dann die Klassiker der Weltliteratur und selbstverständlich die Klassiker des Marxismus, etwa Schriften von Rosa Luxemburg und Karl Marx.

Wie hat sich alles mit dem Aufkommen des Internets in Kuba verändert?

Die Auswirkungen der Blockade haben die Veröffentlichung von gedruckten Texten in den vergangenen Jahren stark beeinträchtigt. Wir mussten uns neu erfinden. Im Internet veröffentlichen wir unsere Bücher im digitalen Format. Wir setzen stark auf E-Books. Gedruckte Bücher sind aber immer noch weitverbreitet, beide Formate koexistieren. Das Internet hat uns auch dabei geholfen, ein internationales Publikum zu erreichen. Kubanische Bücher werden sehr gut aufgenommen. Wir haben etablierte Autoren wie Alejo Carpentier oder Nicolás Guillén, aber auch neue Autoren, die wir auch mit Hilfe der sozialen Medien bekannter machen konnten. Derweil ist unsere Internationale Buchmesse in Havanna ein großes kulturelles Ereignis, jedes Jahr werden dafür mehr als 600 Titel mit einer Auflage von über zwei Millionen Exemplaren veröffentlicht.

Wonach wählen die Verlage die Neuveröffentlichungen aus?

Der Prozess erfolgt mit der Einreichung der Originale, die durch ein Herausgebergremium und ein Lesergremium entsprechend den Interessen des Verlags bewertet werden. Ein Autor hat in Kuba viele Möglichkeiten, zu veröffentlichen. Es gibt Verträge wie in jedem anderen Land, mit Bezahlung, Autorenrechten und Vertrieb ihrer Bücher im In- und Ausland. Außerdem haben wir ein System, um den Autor für die Verbreitung seines Werkes zu bezahlen. Also, wenn er den Text öffentlich präsentiert, wird das ebenfalls vergütet. Der Autor ist in Kuba ziemlich gut geschützt. Viele haben auch einen anderen Beruf, aber viele Autoren leben nur von ihrem Werk. Viele, die sich dem Schreiben widmen, sind Autodidakten.

Sandra Sarmiento ist Verlegerin aus Kuba und war Vizepräsidentin des Kubanischen Buchinstituts (Instituto Cubano del Libro, ICL).

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